Starkes Übergewicht sorgt für erhöhtes Krebsrisiko

19.05.2015 - Österreich

Starkes Übergewicht (Adipositas) begünstigt die Krebsentstehung, da der Überschuss an Körperfett in verschiedene Hormonkreisläufe und in den Zucker- und Fetthaushalt eingreift. Stoffwechselexpertin Alexandra Kautzky-Willer, Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien, weist darauf hin, dass auch in Österreich immer mehr Personen an Adipositas leiden. Am CCC laufen daher mehrere Studien, die die Zusammenhänge zwischen Fettleibigkeit, Stoffwechselstörungen und Krebserkrankungen erforschen.

Adipositas ist in den Industrieländern stark im Steigen begriffen. In Österreich leben mittlerweile rund 15 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen mit krankhaftem Übergewicht. Neueste Studien zeigen, dass junge Frauen und Frauen nach dem Wechsel besonders stark von diesem Negativtrend betroffen sind. Als adipös oder fettleibig werden Erwachsene bezeichnet, die einen Body Mass Index (BMI) von mehr als 30 aufweisen. Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9 gilt als Normalgewicht, ab einem BMI von 25 ist man übergewichtig.

Bauchfett speziell gefährlich

Neue Daten einer internationalen Studie, die 2015 im Lancet Oncology veröffentlicht wurde, belegen, dass 5,4 Prozent aller Krebserkrankungen bei Frauen und 1,9 Prozent bei Männern mit einem erhöhten BMI zusammenhängen. Das betrifft vor allem Tumorerkrankungen der Speiseröhre, des Darms, der Niere, der Bauchspeicheldrüse und - bei Frauen - der Gallenblase, der Eierstöcke, der Gebärmutter und postmenopausalen Brustkrebs. Die Endokrinologin und Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer, stellvertretende Leiterin der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna: „Betroffen sind vor allem Personen ab einem BMI von 30. Steigt der BMI nur um den Faktor 1, also zum Beispiel von 29 auf 30, wächst das Krebsrisiko zwischen drei und zehn Prozent bei den genannten Tumoren. Besonders Bauchfett, auch Viszeralfett genannt, wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus, da es das Krebsrisiko und die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen begünstigt.“

Die Fetteinlagerungen im Bauch erhöhen das Krebsrisiko aus mehreren Gründen: zum einen ist das Fettgewebe hormonell aktiv, produziert Fettgewebshormone und verändert die Sexualhormonspiegel - zum Beispiel durch vermehrte Umwandlung von Androgen-Vorläufern zu Östrogen. Dies fördert die Entstehung und das Wachstum hormonabhängiger Tumoren wie manche Arten von Brustkrebs oder Karzinome der Gebärmutterschleimhaut. Durch die ungünstige Verschiebung der Balance im Bereich der Sexual- und Fettgewebshormone wird das Tumorwachstum direkt und indirekt gefördert. Zum anderen kommt es zur Zunahme der Insulinresistenz, auf die der Körper wiederum mit einer verstärkten Ausschüttung von Insulin reagiert. Kautzky-Willer: „Das Problem hierbei ist, dass Insulin nicht nur den Stoffwechsel regelt, sondern auch als Wachstums-stimulierendes Hormon die Zellteilung und somit das Tumorwachstum begünstigen kann. Wir sehen daher auch einen starken Zusammenhang zwischen Diabetes und bestimmten Krebserkrankungen, insbesondere der Leber und der Bauchspeicheldrüse, gegeben. Auch hohe Blutzuckerspiegel scheinen das Tumorwachstum weiter zu begünstigen.“ Ein weiterer Aspekt ist, dass es im Bereich des Bauchfetts zu chronisch-entzündlichen Prozessen kommt, die die Entstehung von Krebs ebenfalls fördern können. Kautzky-Willer: „Positiv ist, dass man etwas gegen dieses Risiko tun kann, in dem man Gewicht reduziert oder von vorneherein auf das Gewicht achtet. Viele Krebsarten wären so leichter vermeidbar; mediterrane Kost und Bewegung unterstützen dabei.“

Zusammenhänge noch besser erforschen

Auch am Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien arbeitet man daran, die Zusammenhänge zwischen Adipositas, Diabetes und Krebserkrankungen besser zu erforschen. Unter anderem wurde die Studie CANDY (CANCER AND DIABESITY) ins Leben gerufen. Sie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Diabetes und Tumorerkrankungen. Andere Studien untersuchen den Einfluss verschiedener Diabetesmedikamente auf die Krebsentstehung und den Verlauf der Krankheit. Damit soll die medikamentöse Behandlung weiter verbessert werden.

Bauchumfang besserer Marker als BMI

Obwohl der BMI auch in wissenschaftlichen Arbeiten häufig als Richtwert herangezogen wird, gilt er unter Fachleuten nur als genereller Marker. Kautzky-Willer: „Der BMI bezieht sich auf das Körpergewicht und unterscheidet nicht zwischen Fett- und Muskelmasse. So kann zum Beispiel ein Bodybuilder, der auf Grund der Muskelmasse sehr schwer ist, aber kaum Fett hat, einen sehr hohen BMI aufweisen. Der Umfang des Bauches stellt dagegen einen viel zuverlässigeren Gradmesser für Übergewicht und Fettleibigkeit dar, weil mit ihm der Anteil des Fettgewebes gezielt ermittelt werden kann.“

Originalveröffentlichung

“Global burden of cancer attributable to high body-mass index in 2012: a population-based study”; Melina Arnold et al; Lancet Oncol 2015; 16: 36–46

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