Das Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung der Universität Leipzig beteiligt sich an einem EU-Verbundprojekt, das sich mit neurodegenerativen Erkrankungen beschäftigt und erhält eine Förderung in Höhe von gut 300.000 Euro. Konkret wird das Zusammenspiel von verschiedensten Vorgängen im Körper untersucht, die letztendlich zu einer krankhaften Veränderung des Nervensystems führen.
Neurodegenerative Prozesse, die bei der Alzheimerschen, der Parkinsonschen und der Huntingtonschen Erkrankung ablaufen, sind von krankhaften Proteinablagerungen und chronischen Entzündungsvorgängen im Gehirn begleitet. Eine überschießende Entzündungsreaktion kann sowohl die Funktion von Nervenzellen beeinträchtigen als auch deren Absterben beschleunigen. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen krankheitsbedingenden Veränderungen und Immunantwort sind bisher wenig verstanden, bieten aber möglicherweise neue therapeutische Ansätze, um in das Krankheitsgeschehen einzugreifen. Gemeinsam mit Kollegen des Fraunhofer Institutes für Zelltherapie und Immunologie (IZI) konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Steffen Roßner aus dem Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung der Medizinischen Fakultät im Detail belegen, dass ein von ihnen untersuchtes Enzym, das bisher nur von entzündlichen Erkrankungen in anderen Organen bekannt war, auch im Gehirn gebildet wird und wahrscheinlich an der Entstehung der Alzheimerschen Erkrankung beteiligt ist.
Die im Hirngewebe von Alzheimer-Patienten ablaufenden entzündlichen Prozesse könnten damit auf ein ähnliches Geschehen zurückzuführen sein, wie es zum Beispiel von der Entstehung der Arteriosklerose bekannt ist. Hier wird von dem untersuchten Enzym (der sogenannten iso-Glutaminylcyclase) ein Botenstoff aktiviert, der Fresszellen aus dem Blut und den Lymphgefäßen anlockt. Normalerweise sollte durch ihre Aktivität ein Entzündungsherd beseitigt werden. Läuft dieser Prozess jedoch aus dem Ruder, wie es bei chronisch entzündlichen Prozessen der Fall ist, wird auch gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen.
Die in Acta Neuropathologica veröffentlichte Studie weist nun erstmals ein deutlich erhöhtes Vorkommen des entzündungsverursachenden Enzyms und seines Botenstoffes in Nervenzellen von Alzheimer-Patienten im Vergleich zu neurologisch gesundem Kontrollgewebe nach. Darüber hinaus wurde in dem erkrankten Gewebe die Enzymproduktion auch in einem nicht zu den Nervenzellen gehörigen, sternförmigen Zelltyp entdeckt, der sich um die Alzheimer typischen senilen Plaques herum anordnet und als Mitspieler bei Schädigungsprozessen im Hirn bekannt ist.
Bei den Untersuchungen der Forschergruppen ist ein Ergebnis besonders interessant: Es konnte in Hirngewebe von Alzheimer-Patienten ein Zusammenhang zwischen der Menge an iso-Glutaminylcyclase, ihrem Botenstoff und der vor dem Tod des Patienten getesteten nachlassenden Gedächtnisleistung nachgewiesen werden.
Zusammengefasst legen diese Erkenntnisse nahe, dass eine medikamentöse Hemmung des untersuchten Enzyms entzündungsdämpfende und gedächtnisfördernde Effekte haben könnte. Damit würde sich eine Möglichkeit eröffnen, das Krankheitsgeschehen ursächlich zu beeinflussen. Ein Medikament, das die Enzyme hemmt, ist bereits in klinischer Prüfung an Alzheimer- Patienten.