„Ferngesteuerte“ Salmonellen gegen Krebs

Forscher entwickeln alternativen Ansatz für die Tumortherapie

21.04.2015 - Deutschland

Bakterieninfektionen als Krebstherapie? Das klingt zunächst riskant und tatsächlich sind viele gefährliche Keime nicht das Mittel der Wahl im Kampf gegen Krebs. Zwar können sie zur Rückbildung fester Tumore führen, aber sie schaden auch dem Patienten. Andere Bakterien wiederum sind harmlos für den Kranken, helfen aber nicht gegen den Krebs. Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig ist es nun gelungen, Salmonellen so zu verändern, dass sie zunächst eine aggressive anti-Tumor-Wirkung besitzen. Später schalten sie diese Eigenschaft ab und können vom Immunsystem eliminiert werden: Die perfekte Balance für eine neue Therapieform.

© HZI / Rohde

Salmonellen könnten in Zukunft zur Behandlung von Tumoren genutzt werden.

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Trotz der Fortschritte bei etablierten Behandlungen wie Bestrahlung oder Chemotherapie nimmt die Zahl der Erkrankungen zu. Neue Ideen für Therapieformen werden daher dringend benötigt. Diese erfordern manchmal Ansätze, die auf den ersten Blick eher eine Verschlimmerung der Situation eines Patienten vermuten lassen. So auch die am HZI erforschte bakterienvermittelte Tumortherapie. Tatsächlich ist diese Methode ein Drahtseilakt. „Wir können bei dieser Behandlung nicht mit Bakterien arbeiten, die vollkommen harmlos sind. Gefährliche Erreger sind allerdings auch zu riskant“, sagt Dr. Siegfried Weiß, Leiter der Abteilung Molekulare Immunologie am HZI. „Hier mussten wir einen Mittelweg finden.“

In eine Vene injiziert, lösen Salmonellen im Körper eine spontane Immunreaktion aus. Viele Zellen des Immunsystems erkennen die Eindringlinge sofort und alarmieren den Körper durch die Ausschüttung von Botenstoffen. „Dies führt zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung im Tumor. Außerdem kommt es zu einer Besiedlung des Tumors durch die Bakterien“, sagt Weiß. Die Behandlung führt zwar in Mäusen oft zu einem kompletten Rückgang von Tumoren. Allerdings stellt die aggressive Natur der Salmonellen oft ein größeres Problem für die Tiere dar als der Krebs.

Wie die Wissenschaftler nun herausfanden, hängt die Reaktion des Immunsystems von einem Oberflächenmolekül der Salmonellen, dem Lipopolysaccharid (LPS). ab. Dieses langkettige Molekül ist sowohl für die Gefährlichkeit eines Erregers verantwortlich, als auch für dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Immunsystem. „Selbst wenn die Bakterien von Immunzellen aufgenommen werden, entgehen sie dort der sonst stattfindenden Eliminierung. So können sie sich sogar in den Zellen vermehren. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung der Infektion“, sagt Dr. Michael Frahm, Erstautor der in der Fachzeitschrift mBio veröffentlichten Studie.

Deshalb testeten die Forscher harmlosere Varianten auf ihre Wirksamkeit gegen Tumore. „Zunächst haben wir die Therapie mit genetisch veränderten Salmonellen wiederholt, bei denen diese LPS-Ketten künstlich verkürzt wurden“, sagt Weiß. „Dabei zeigte sich allerdings, dass die abgeschwächten Bakterien auch die Wirkung gegen die Tumore verloren hatten. Aus dieser Not heraus kamen wir auf die Idee, die bakterielle Aggressivität fernzusteuern.“

Frahm und sein Kollege Sebastian Felgner veränderten die Salmonellen so, dass sie nur in Gegenwart eines bestimmten Zuckers in einem Nährmedium wie die ursprünglichen Salmonellen wachsen. Sobald sie aber injiziert werden und der Zucker fehlt, wandeln sie sich innerhalb weniger Stunden in die harmlosere Variante um. „Das Besondere ist, dass das Immunsystem so zunächst stark reagiert, aber anschließend die harmlosen Bakterien erfolgreich eliminieren kann. Die Bakterien wandern jedoch trotzdem in den Tumor ein“, sagt Frahm. Da die Salmonellen ihre Aggressivität verlieren, kommt es nur zu geringen Komplikationen. Der Anti-Tumoreffekt bleibt jedoch bestehen.

Nun gilt es, diesen Ansatz weiter zu untersuchen und zu optimieren. „Der Weg bis zur klinischen Anwendung ist noch sehr weit, aber vielversprechend ist er allemal“, sagt Weiß.

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