3D-Drucker bildet menschliche Körperteile exakt nach
Peter Pulkowski, Universitätsmedizin Mainz
Das neuartige Vorgehen optimiert die individualisierte Medizin in der MKG und hat sowohl für die Patienten als auch für die Mediziner Vorteile: Die Operateure kennen ihr Operationsfeld bereits und können dank optimierter Planung und vorgefertigter Schablonen quasi originalgetreu arbeiten. Dadurch reduziert sich die Operations- und Narkosezeit für den Patienten, seine Genesung beschleunigt sich und Funktion und Ästhetik verbessern sich. Zudem schont das Verfahren Knochensubstanz, umliegendes Gewebe und Zahnfleisch. Es ist für jede Patientengruppe anwendbar, jedoch insbesondere für Fehlbildungschirurgie und Kieferdefekte geeignet.
Die 3D-Drucktechnik ist eine echte technische Revolution. Zunächst nur für die Entwicklung von Prototypen eingesetzt, findet der 3D-Druck inzwischen auch in der Serienfertigung, der Kunst und sogar schon in privaten Haushalten Anwendung. Auch für den medizinischen Bereich bietet er herausragende Einsatzmöglichkeiten und birgt die Chance auf völlig neuartige Behandlungsmethoden. Dabei ist das zugrundeliegende Prinzip relativ simpel: Basierend auf Aufnahmen aus medizinischen Bildgebungsverfahren wie der Computertomographie (CT), Röntgen oder MRT lassen sich exakte patientenspezifische Modelle und damit exakte Schablonen erstellen und dreidimensional drucken. Bei einer Kieferrekonstruktion beispielsweise, bei der ein Stück des Wadenbeins entfernt wird, um die Lücke im Kiefer zu schließen, druckt der 3D-Drucker ein exaktes Modell des Kiefers und des Wadenbeins. Daran kann der behandelnde Arzt die Operation im Vorfeld gedanklich detailgetreu durchspielen. Dies ermöglicht ihm die Rekonstruktion ganz individuell auf den Patienten abgestimmt zu planen und diese Planung mit Hilfe von Schablonen während der Operation umzusetzen. Direkt vor Ort angewendet, bringt der Einsatz dieser revolutionären Technik zudem zeitliche Vorteile: Die Mediziner der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) der Universitätsmedizin Mainz können mittels ihres eigenen, neu angeschafften 3D-Druckers nun bereits innerhalb von vier Tagen eine Defektrekonstruktion planen. Bislang benötigten solche Verfahren durch die Zusammenarbeit mit externen Unternehmen in der Regel mehrere Wochen.
Wissenschaftlich interessant ist die 3D-Drucktechnik zudem für den Bereich regenerative Medizin. Dessen zentrale Forschungsfrage lautet: Wie interagieren Geweben und Zellen mit körperfremden Materialien und Oberflächen? Noch stellt die Wechselwirkung von künstlichen Implantaten mit dem menschlichen Körper für fast alle chirurgischen Disziplinen eine große Herausforderung dar. Denn sowohl eine zu schwache oder fehlende Anhaftung der Implantate als auch Abwehrreaktionen des Körpers können den Behandlungserfolg beispielsweise von künstlichen Gelenken, Herzschrittmachern, Gefäßprothesen oder von Zahnersatz beeinträchtigen.
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas, Sprecher des Forschungsschwerpunkts „BiomaTiCS - Biomaterials, Tissues and Cells in Science" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Leitender Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universitätsmedizin Mainz, freut sich, dass mit dem Einsatz des 3D-Druckverfahrens viele Mosaiksteine aus der Forschung zum Wohle des Patienten zusammenfließen: „Hier gelingt uns der Brückenschlag zwischen Forschung und Anwendung: Der 3D-Drucker ermöglicht uns einerseits kurzfristige und exakte Rekonstruktionsplanungen für unsere Patienten der MKG; auf der anderen Seite ist es die Verbindung zu anderen BiomaTiCS- Arbeitsgruppen im Bestreben innovative Baumaterialen für Implantationen und Rekonstruktionen herzustellen.“
An der Universitätsmedizin Mainz hat sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von Arbeitsgruppen klinisch und wissenschaftlich tätiger Chirurgen etabliert, die sich in interdisziplinären und translationalen Projekten mit der Interaktion von Geweben und Zellen mit körperfremden Materialien befassen. Gemeinsam mit den Materialwissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung, dem Institut für Angewandte Struktur und Mikroanalytik und dem Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie erforschen sie im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „BiomaTiCS - Biomaterials, Tissues and Cells in Science" anwendungsorientiert den funktionellen Einsatz, die Geweberegeneration und responsive Systeme.