Warum Tumore verfetten

16.12.2014 - Schweiz

Beim klarzelligen Nierenzellkarzinom, dem häufigsten Nierentumor, verfetten die Krebszellen. Warum das passiert, war lange unklar. Jetzt haben ETH-Forschende die Ursache gefunden: Für den Fettstoffwechsel wichtige Zellstrukturen werden verstärkt abgebaut.

Miriam Schönenberger / ETH Zürich

Mit modernster Mikroskopie-Technik (3D Structured Illumination Microscopy) kann dreidimensional sichtbar gemacht werden, wie ein Peroxisom (rot) von einer abbauenden Zellstruktur (Autophagosom, grün) verdaut wird.

Bei Nierenkrebs und einigen anderen Krebsarten kommt es vor, dass die Tumore verfetten. So rührt bei der häufigsten Nierenkrebsart, dem klarzelligen Nierenzellkarzinom, gar der Name daher, dass die betroffenen Zellen durch den hohen Fettanteil unter dem Mikroskop fast durchsichtig sind. Ein Forscherteam um Wilhelm Krek, Professor am Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften, ist der Frage nachgegangen, wie es zu dieser Verfettung kommt. Anhand von Tests mit gentechnisch veränderten Mäusen und Gewebeproben von Krebspatienten fanden die Wissenschaftler heraus, dass dabei den sogenannten Peroxisomen und einem Signalmolekül namens Hif2 Schüsselrollen zufallen. Peroxisomen sind intrazelluläre Strukturen, die zu den wichtigsten Akteuren im zellulären Fettstoffwechsel gehören. Sie bauen Fettsäuren und weitere Lipide ab, und ausserdem findet der Aufbau bestimmter anderer wichtiger Lipide dort statt.

Bei ihren Versuchen stellten die Wissenschaftler fest, dass das Signalmolekül Hif2, welches menschliche und tierische Zellen bei Sauerstoffmangel verstärkt produzieren, die Aktivität von Peroxisomen steuert. Das geschieht über einen Prozess, der als Autophagie (Selbst-Verdau) bezeichnet wird: Werden Peroxisomen bei der Arbeit beschädigt, sortiert die Zelle sie aus, die Peroxisomen werden abgebaut und durch neue ersetzt. «Hif2 beschleunigt diesen Prozess. Steigt die Konzentration von Hif2 in der Zelle an, verschwinden mehr Peroxisomen, als gebildet werden», erklärt Werner Kovacs, Oberassistent in der Gruppe von Krek.

Zu einer solchen Hif2-Zunahme kommt es zum Beispiel bei Krebserkrankungen: Wenn Tumore sehr schnell wachsen, ist ihre Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff knapp. Als Konsequenz davon nimmt die Hif2-Konzentration in den Tumorzellen zu, die Peroxisomen werden vermehrt abgebaut, was den Fettstoffwechsel in andere Bahnen lenkt. Das Tumorgewebe verfettet dabei. 

Zu viel Hif2 bei genetischer Erkrankung

Allerdings ist nicht nur Sauerstoffarmut ein Auslöser für die Verfettung von Tumoren. In weiteren Versuchen bei Mäusen fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Zellen auch bei bestimmten genetischen Erkrankungen zu viel Hif2 produzieren. Dies gilt vor allem für das vererbbare Von Hippel-Lindau-Syndrom, bei dem ein sogenanntes Tumorsuppressor-Protein defekt ist oder ganz fehlt. Normalerweise verhindert dieses Protein die Entstehung von Krebs. Fehlt es, kommt es zu einem gestörten Fettstoffwechsel und führt bei vielen Betroffenen zu Nierenkrebs.

Nachdem die Forschenden das Zusammenspiel von Hif2 mit den Peroxisomen als Ursache für die Tumorzellverfettung ausgemacht haben, möchten sie künftig klären, ob eine Überproduktion oder sogar ein Mangel von bestimmten Lipidmolekülen zum Tumorwachstum beiträgt. Aus Kovacs‘ Sicht ist das noch offen. Aufschluss darüber soll weitere Forschung über die detaillierte Rolle von Hif2 im Tumorzell-Fettstoffwechsel geben. So interessieren sich die ETH-Wissenschaftler auch dafür, unter den Lipidmolekülen Biomarker auszumachen, die künftig für die Krebsdiagnose verwendet werden könnten.

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