Krankheitserreger nehmen gut vernetzte Eiweißstoffe ins Visier

18.09.2014 - Deutschland

Proteine erfüllen ihre Aufgaben nicht alleine, sondern vernetzen sich zu kleinen oder größeren Teams. Wie diese Proteinnetzwerke von Krankheitserregern manipuliert werden hat ein ein Forscherteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) an einem Pflanzenmodell untersucht. Die Forscher konnten zeigen, dass so unterschiedliche Erreger wie Pilze und Bakterien die gleiche Taktik anwenden: Sie attackieren gezielt die Proteine, die viele Funktionen haben und stark vernetzt sind. Die Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe von Cell Host & Microbe erschienen.

Jeffery L. Dangl / UNC

Pilzbefall auf einem Blatt der Modellpflanze Acker-Schmalwand.

Proteine sind für alle nahezu alle lebenswichtigen Funktionen im Organismus verantwortlich: Unter anderem katalysieren sie Reaktionen im Stoffwechsel, leiten Signale weiter, übernehmen den Transport bestimmter Stoffe und sind für die Antworten des Immunsystems zuständig. Bereits vor einigen Jahren stellten Forscher fest, dass die Proteine nicht unabhängig voneinander arbeiten, sondern komplexe Netzwerke bilden.

"Wenn man sich die Proteinnetzwerke ansieht, findet man viele Gemeinsamkeiten mit sozialen Netzwerken im Web", erklärt Dr. Pascal Falter-Braun vom TUM-Lehrstuhl für die Systembiologie der Pflanzen. "Auch unter den Proteinen gibt es gute Netzwerker, die mit vielen anderen Proteinen in Kontakt stehen - und daneben auch solche, die weniger interaktiv sind."

Verschiedene Krankheitserreger attackieren die gleichen Ziele

In der Studie an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) stellten die Forscher fest, dass Krankheitserreger insbesondere die stark vernetzten Proteine ins Visier nehmen. "Dabei hat uns überrascht, dass biologisch so unterschiedliche Erreger wie Bakterien und Pilze die gleichen Proteine manipulieren", führt Falter-Braun aus. Dazu zählen Proteine, die wichtige Abläufe in der Zelle steuern. Wie zum Beispiel Transkriptionsfaktoren: Diese aktivieren Gene für die Produktion neuer Proteine.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass diese Knotenpunkte für das gesamte Netzwerk bedeutend sind, da sie viele Prozesse koordieren und aufeinander abstimmen. "Da die Krankheitserreger ihren Wirt bei einem Angriff möglichst effektiv schwächen wollen, versuchen sie Schaltzentralen der Zelle unter Kontrolle zu bekommen, also Proteine mit möglichst vielen ‚Freunden’ im Netzwerk", sagt Falter-Braun.

Schaltzentralen sind stark konserviert

Für die zentrale Rolle dieser Proteine spricht auch, dass sie stark konserviert sind. Im Lauf der Evolution können kleine Mutationen zu Veränderungen in den Molekülen führen. Wenn sich für den betroffenen Organismus ein Vorteil ergibt, ist es wahrscheinlich, dass die neuen Eigenschaften an die Nachkommen weitervererbt werden.

Bei den stark vernetzten Proteinen kommen solche Veränderungen kaum vor, wie Falter-Braun erklärt: "Da diese Proteine eine so zentrale Position im Netzwerk haben, können sie sich kaum verändern, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Pflanze hätte.“ Diese Konservierung scheinen die Pathogene auszunutzen: Sie zielen auf Proteine, die sich nicht verändern - und sich damit dem Angreifer auch nicht entziehen können.

Hilfe aus dem Netzwerk

Gleichzeitig scheinen die Netzwerke so aufgebaut zu sein, dass sie die Verteidigung der empfindlichen Knotenpunkte optimal unterstützen. Denn die für Pathogene besonders attraktiven Proteine haben häufig Nachbarn, deren Mutationen das Netzwerk gut verkraftet. Wie diese „Nachbarschaftshilfe“ funktioniert und welche anderen Verteidigungsstrategien das Netzwerk außerdem bietet, muss noch untersucht werden.

Dass verschiedene Erreger die gleichen Proteine in der Pflanze angreifen, könnte den Weg für die Züchtung von resistenteren Nutzpflanzen weisen. Ob die Ergebnisse auf andere Organismen - und auch den Menschen - übertragbar sind, bedarf noch weiterer Forschung. „Da menschliche Proteine den gleichen evolutionären Prozessen unterworfen sind, ist es durchaus möglich, dass unsere Erkenntnisse auch für den Menschen gültig sind“, so Falter-Braun abschließend.

Originalveröffentlichung

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