US-Forscher befürchten Hunderttausende Ebola-Fälle
Die Ebola-Epidemie wird nach Ansicht von US-Experten das Krisenszenario der WHO weit übersteigen
(dpa) Die Ebola-Epidemie in Westafrika wird nach Ansicht von US-Experten noch mindestens 12 bis 18 Monate dauern. Bis der Ausbruch unter Kontrolle sei, könnten sich Hunderttausende Menschen mit dem Virus anstecken, berichtete die «New York Times» am Samstag unter Berufung auf Forscher mehrerer Universitäten, die die Entwicklung für die US-Regierung und Gesundheitsbehörden analysieren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtete kürzlich in ihrem Krisenszenario eine Dauer von bis zu neun Monaten und mehr als 20.000 Ebola-Fälle. Dagegen kalkulieren die US-Forscher, bei der derzeitigen Wachstumsrate könnte es schnell 20.000 Fälle pro Monat geben.
Sollten die Hilfsmaßnahmen greifen, könne die Epidemie auch weniger schlimm verlaufen, betonen die Forscher dem Bericht zufolge. «Wir hoffen, dass wir uns irren», sagte der Epidemiologe Bryan Lewis von der Technical University of Virginia der Zeitung. Die Entwicklung hänge davon ab, wie gut die Infizierten versorgt würden und ob es bald wirksame Medikamente oder Impfstoffe gebe, betonen die Wissenschaftler. Zu ihnen zählen neben Lewis der Bioinformatiker Alessandro Vespignani von der Northwestern University und Jeffrey Shaman von der Columbia University.
Die Epidemie habe einen einfachen Verlauf, «denn sie weite sich exponentiell aus», zitiert die «New York Times» Shaman. Sollte sie sich fortsetzen wie bisher, rechnet er bis Mitte Oktober mit mehr als 18.000 Fällen. Je nach Entwicklung könne die Zahl auch deutlich niedriger liegen oder bis zu dreimal höher. Nach Angaben der WHO stieg die Zahl der bestätigten oder Verdachtsfälle bis Freitag auf 4.784, mehr als 2.400 Menschen starben an dem Virus. Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen. Am schlimmsten betroffen sind die drei Länder Guinea, Sierra Leone und vor allem Liberia.
Im dem ehemaligen Bürgerkriegsland falle die Versorgung der Infizierten mit jedem Tag weiter zurück, schrieb die Zeitung «Washington Post» am Sonntag unter Berufung auf die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Immer mehr Kranke würden von den wenigen Krankenhäusern abgewiesen und sich selbst überlassen. Ein MSF-Zentrum in Paynesville am Rand der Hauptstadt Monrovia habe 160 Betten, der Bedarf liege bei 1200. Am Freitag habe die Klinik 23 Menschen aufgenommen, 25 seien weggeschickt worden.
Das US-Verteidigungsministerium kündigte am Freitag (Ortszeit) an, ein Feldlazarett mit 25 Betten nach Liberia zu schicken. Zudem wird Präsident Barack Obama am Dienstag die Seuchenkontrollbehörde CDC in Atlanta besuchen. Dort werde er sich über die Entwicklung in Westafrika informieren und Hilfsmaßnahmen erörtern, teilte das Weiße Haus mit.
Obama hatte kürzlich gewarnt, wenn die USA und andere Länder nicht rasch mehr Hilfe leisteten, könne der Erreger möglicherweise mutieren und leichter übertragbar werden. Die WHO registrierte nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 2.400 Ebola-Tote und mehr als 4.700 Infektionen.
Wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums weiter mitteilte, hat das Pentagon etwa 30 Millionen Dollar (23 Millionen Euro) an Hilfen bereitgestellt. Es habe außerdem beantragt, 500 Millionen Dollar aus einem Fonds für Operationen in Übersee für humanitäre Zwecke umzuschichten. Das würde weitere Hilfen für Westafrika erschließen.
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