Molekulare Ursache für Erbkrankheit entdeckt

08.09.2014 - Deutschland

Das Wiskott-Aldrich-Syndrom ist eine seltene und schwere Erbkrankheit. An ihrer Entstehung ist vermutlich auch ein Protein beteiligt, das bislang nicht unter Verdacht stand.

Simon Stritt

Blutplättchen von gesunden Menschen (oben) und Mäusen (unten) haben ein dichtes Zellskelett (rot), umsäumt von Mikrotubuli (grün). Anders bei Wiskott-Aldrich-Patienten und Profilin-1-defekten Mäusen.

Die Blutgerinnung und das Immunsystem funktionieren nicht richtig; die Betroffenen leiden an Hautekzemen, einem erhöhten Risiko für innere Blutungen und ständig an Infektionen wie Mittelohr-, Lungen- oder Hirnhautentzündungen. So sehen die Hauptsymptome des Wiskott-Aldrich-Syndroms aus. Die seltene Erbkrankheit tritt bei einer Million Geburten nur ein bis vier Mal auf. Betroffen sind fast ausschließlich Buben.

Heilen lässt sich das Syndrom nur durch eine Transplantation von Knochenmark. Wo das nicht möglich ist, werden die Symptome behandelt – unter anderem mit Immunglobulinen, um die Defekte des Immunsystems auszugleichen, oder mit der Infusion von Blutplättchen. Denn diese Blutzellen sind bei den Erkrankten Mangelware, darum ist bei ihnen die Blutgerinnung gestört.

„Bis heute wird angenommen, dass für dieses Krankheitsbild ein Defekt am Wiskott-Aldrich-Syndrom-Protein WASp direkt verantwortlich ist“, sagt Professor Bernhard Nieswandt von der Universität Würzburg. Das allerdings habe sich bei Versuchen mit Mäusen bislang nicht bestätigen lassen. Doch jetzt hat der Biomediziner mit seinem Team herausgefunden, dass noch ein anderes Protein in die Entstehung dieser Erbkrankheit verwickelt sein könnte. Das berichtet die Würzburger Forschungsgruppe aktuell im Fachblatt „Nature Communications“.

Fehler bei der Produktion der Blutplättchen

Wie es zu dieser Erkenntnis kam? Die Forscher um Nieswandt interessieren sich grundsätzlich für Blutplättchen und deren Funktion bei der Blutgerinnung. Als sie bei Mäusen analysierten, welche Rolle das Protein Profilin1 bei der Produktion von Blutplättchen aus Vorläuferzellen spielt, stießen sie auf etwas Interessantes: „Bei Mäusen mit einem Defekt am Profilin1-Gen sind Zahl und Größe der Blutplättchen verringert, genau wie beim Wiskott-Aldrich-Syndrom“, so Doktorand Simon Stritt.

Falsch organisiertes Zellskelett ist sehr stabil

Die Wissenschaftler entdeckten daraufhin noch mehr Parallelen: Die Blutplättchen der gendefekten Mäuse sind kleiner als normal, weil ihr Zellskelett falsch aufgebaut und dazu noch ungewöhnlich stabil ist. Dieselben Veränderungen fanden sie in den Blutplättchen von vier Wiskott-Aldrich-Patienten. „Außerdem befindet sich das Profilin1 in den Blutplättchen der Patienten an ganz anderen Orten als im Normalfall“, erzählt Stritt. Auch dieser Befund weise darauf hin, dass das Protein an der Entstehung des Wiskott-Aldrich-Syndroms beteiligt ist.

Bedeutung für die Behandlung des Syndroms

Direkte Konsequenzen für die Therapie des Wiskott-Aldrich-Syndroms lassen sich daraus nicht ableiten. Das Protein Profilin1 ist keine geeignete Zielstruktur für Medikamente, weil es in fast allen Zellen des Körpers vorkommt. „Man müsste mit erheblichen Nebenwirkungen rechnen, wenn man ein Medikament einsetzen würde, das an Profilin1 wirkt“, sagt der Doktorand.

In ihren Versuchen haben die Würzburger Forscher aber festgestellt, dass eine Behandlung mit dem Osteoporose-Mittel Clodronat helfen könnte: Es hob bei den gendefekten Mäusen die Zahl der Blutplättchen auf ein normales Niveau. Das könnte ein neuer Ansatzpunkt sein, um den Blutplättchenmangel bei Wiskott-Aldrich-Patienten zu behandeln.

Nächste Schritte der Forschung

„Als nächstes wollen wir den molekularen Mechanismus verstehen, über den die Proteine Profilin1 und WASp miteinander in Wechselwirkung treten und wie sich daraus die Defekte bei der Blutplättchenproduktion und der Organisation des Zellskeletts ergeben“, so die Forscher. Zudem wollen sie klären, ob Profilin1 bei Wiskott-Aldrich-Patienten eventuell auch an der Entstehung der Immunschwäche beteiligt ist.

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