Das MERS-Virus lässt sich blockieren

02.06.2014 - Schweiz

Das MERS-Virus (Middle East Respiratory Syndrome) gehört wie der SARS-Erreger zu den gefährlichen Coronaviren. Bisher gibt es dagegen keine Medikamente. Nun hat eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung einen Weg entdeckt, wie das MERS- als auch das SARS-Virus blockiert werden können.

Volker Thiel, IVI, Universität Bern

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Coronavirus-infizierten Zelle mit zahlreichen Membranvesikeln, an denen sich die Coronaviren vermehren. Die Bildung dieser Membranvesikel wird durch den neuartigen Blocker gehemmt.

MERS, das dem SARS-Erreger ähnelt, kann zu Nierenversagen und Lungenentzündung führen. Mehr als 40 Prozent der Patienten sterben – eine Impfung gibt es nicht. Seit 2012 steckten sich im Mittleren Osten über 500 Menschen an, sprunghaft angestiegen sind die Infektionen seit März dieses Jahres. Am stärksten betroffen mit 400 Fällen und 147 Todesopfern ist Saudi-Arabien. Aus den USA wurden jüngst zwei Infektionsfälle gemeldet.

Auf der Suche nach einem Mittel gegen Coronaviren, zu denen sowohl das MERS- als auch das SARS-Virus gehören, hat ein internationales Team unter der Führung von Prof. Volker Thiel, Universität Bern, und Prof. Edward Trybala, Universität Göteburg, Schweden, eine Substanz entdeckt, die sie «K22» nennen. Das Berner Team um Volker Thiel forscht am Institut für Virologie und Immunologie (IVI), das als Bundesinstitut mit der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern verbunden ist.

Die Forscher haben zunächst beobachtet, dass K22 die Vermehrung eines relativ harmlosen Coronavirus, das im Menschen Schnupfen hervorruft, hemmt. Anschliessende Experimente zeigten jedoch, dass die Substanz gegen alle getesteten Coronaviren, einschliesslich MERS- und SARS-Coronavirus, wirkt. Die Forscher konnten auch zeigen, dass die Viren auf menschlichen Lungenepithelzellen, die in den oberen Atemwegen die Eintrittspforte von MERS- und SARS-Erregern darstellen, effektiv gehemmt werden können. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im Journal «PLoS Pathogens» publiziert.

Die Entstehung von Virusfabriken in der Zelle wird gehemmt

Auf der Suche nach dem Mechanismus der Hemmung konnten sie beobachten, dass K22 in menschlichen Zellen bereits sehr früh in den viralen Lebenszyklus eingreift. Menschliche Zellen sind in zahlreiche «Kompartimente» aufgeteilt. Zum Beispiel den Zellkern, der das Erbmaterial enthält, oder Mitochondrien, die das «Kraftwerk» der Zelle darstellen. Jedes Kompartiment ist von Membranen umhüllt. Um sich in der Zelle zu vermehren, benutzen Viren solche Membranen und formen sie nach ihren Bedürfnissen um. Dadurch schaffen sie sich eine optimale Umgebung, in der sie sich geschützt vor den Zell-Abwehrmechanismen vervielfältigen können. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass K22 gezielt die Umformung der zellulären Membranen hemmt und somit das Entstehen von «Virusfabriken» in der Zelle schon im Ansatz verhindert.

Achillesferse im viralen Lebenszyklus

«Die ausserordentliche Effizienz, mit der K22 die Virusvermehrung hemmt, bestätigt, dass die Viren bei der Umformung von zellulären Membranen zur Virusvermehrung angreifbar sind», sagt Volker Thiel. Dieser Prozess stellt laut den Autoren der Studie sozusagen die Achillesferse des viralen Lebenszyklus dar.

Da viele Viren sich auf dieselbe Art vermehren wie Coronaviren, sollte es möglich sein, sogenannte Inhibitoren zu finden, die auch bei zahlreichen anderen Viren gleich wirken. Die Autoren geben aber zu bedenken, dass es sich bei der Entdeckung von K22 und des neuartigen Wirkungsmechanismus nur um einen ersten, präklinischen Schritt auf dem Weg zu einer therapeutischen Anwendung handle. «Eine wichtige Lektion der vergangen SARS- und der momentanen MERS-Epidemie ist jedoch, dass dringend Mittel in die Entwicklung von effizienten Medikamenten investiert werden müssen – damit wir in der Zukunft auf Coronavirus-Ausbrüche besser vorbereitet sind und diese Infektionen behandeln können», sagt Thiel.

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