Antibiotikum mit Licht schalten
Grundlagenforschung bahnt Weg zur gezielten Therapie von bakteriellen Infektionen
Abbildung: Babii et al., Angewandte Chem., 2014
Photoschaltbare Moleküle verändern ihre Struktur und ihre Eigenschaften, wenn sie mit Licht einer geeigneten Wellenlänge bestrahlt werden. Zu den bekannten Photoschaltern gehören Diarylethene, die eine reversible Photoisomerisierung – das heißt eine umkehrbare, durch Licht bedingte innere Umlagerung des Moleküls – von einer offenen in eine geschlossene Form durchmachen. Solche photoschaltbaren Moleküle werden bereits in der Molekularelektronik und vielen weiteren Bereichen eingesetzt. Besonders spannende Möglichkeiten verspricht das Einbringen von Photoschaltern in Biomoleküle, um deren Aktivität über Lichteinwirkung zu kontrollieren. Im Fokus des Interesses stehen dabei sogenannte Peptidmimetika – Verbindungen, deren wesentliche strukturelle Elemente einem Peptid, das heißt einem kleinen Protein, nachempfunden sind.
Eine Gruppe von Forschern um Professorin Anne S. Ulrich, Direktorin des Instituts für Biologische Grenzflächen 2 (IBG2) und Inhaberin des Lehrstuhls Biochemie am Institut für Organische Chemie (IOC) des KIT, hat nun erstmals ein photoschaltbares Peptidmimetikum auf der Basis eines reversibel photoisomerisierbaren Diarylethengerüsts hergestellt. Dazu modifizierten die Wissenschaftler diesen Baustein als Aminosäure-Analogon und bauten ihn direkt in das Rückgrat des ringförmigen Peptid-Antibiotikums Gramicidin S ein. Die biologische Aktivität des so erzeugten Peptidmimetikums lässt sich mithilfe von UV-Licht und sichtbarem Licht räumlich und zeitlich gezielt steuern. Um dies zu demonstrieren, behandelten die Wissenschaftler einen Bakterienfilm mit dem inaktivierten Antibiotikum und bestrahlten ihn durch eine Maske mit Licht. Dadurch wechselte das photoschaltbare Diarylethen von seiner geschlossenen in die offene Form. Durch die so erzwungene Strukturänderung zeigte das gesamte Wirkstoffmolekül eine wesentlich höhere antimikrobielle Wirkung. „Solche photoaktivierbaren Antibiotika könnten künftig in der Medizin als intelligente Therapeutika gegen lokale bakterielle Infektionen dienen“, erklärt Professorin Anne S. Ulrich, „denn die üblichen Nebenwirkungen lassen sich durch das An- und Ausschalten genauso minimieren.“ Denkbar sind mit dieser Strategie auch neue peptid-basierte Wirkstoffe gegen Krebs, denn der von den Forschern neu entwickelte photoaktivierbare Baustein lässt sich nun routinemäßig auch in andere Peptidsequenzen einsetzen.