Forscher finden im Erbgut neue Risiken für Alzheimer

Internationale Studie untersucht Genom von mehr als 74.000 Personen

18.11.2013 - Deutschland

Ein internationales Forschungskonsortium mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Universitätsklinikums Bonn hat 11 bislang unbekannte genetische Risikofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung identifiziert. Dazu wurde das Erbgut von über 25.000 Patienten sowie von mehr als 48.000 gesunden Kontrollpersonen analysiert. Die Studienergebnisse sind kürzlich im Fachjournal „Nature Genetics“ erschienen.

Alzheimer ist eine häufige Form einer Demenzerkrankung. Sie wird durch das Absterben von Gehirnzellen ausgelöst und tritt in zwei Varianten auf: Relativ selten ist die sogenannte familiäre Variante. Diese wird durch gewisse Veränderungen des Erbguts verursacht und macht sich in der Regel schon vor dem 65. Lebensjahr bemerkbar. Mehr als 90 Prozent der Erkrankungen treten jedoch erst im späteren Seniorenalter auf. Die genauen Ursachen dieser „sporadischen“ Krankheitsform sind rätselhaft. Bekannt ist allerdings, dass genetische Merkmale eine Erkrankung begünstigen können, wenn auch nicht zwangsläufig auslösen müssen. Bislang waren 11 solcher Risikofaktoren bekannt. Weitere 11 hat jetzt ein Team aus Forschern aus den USA und Europa identifiziert. Dabei kooperierten zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen im Rahmen des „International Genomics of Alzheimer‘s Project“ (IGAP).

Große Datenmengen

„Ein solches Unternehmen ist enorm aufwändig und bedarf der Zusammenarbeit vieler Partner. Wir haben insbesondere klinische Daten beigetragen. Dazu gehören die anonymisierten Gendaten von rund eintausend Alzheimer-Patienten“, sagt Privatdozent Dr. Alfredo Ramirez, Gruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn.

Eine wichtige Rolle habe die Gedächtnisambulanz gespielt, erläutert der stellvertretende Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Frank Jessen, der auch für das DZNE tätig ist: „Für ein derartiges Projekt sind langjährige Vorarbeiten erforderlich. Über unsere Gedächtnisambulanz haben wir seit vielen Jahren Kontakt zu Menschen mit Gedächtnisstörungen. Auf diesem Weg haben wir einen umfangreichen Bestand an Gendaten von Patienten aufbauen können. Diese Daten haben wir der Studie zur Verfügung gestellt.“

„Bei solchen Untersuchungen geht es letztlich darum, die Erbanlagen von Patienten und gesunden Personen miteinander zu vergleichen“, erläutert Privatdozent Dr. Tim Becker vom Bonner Standort des DZNE. Im Rahmen der jetzt veröffentlichten Studie befasste er sich insbesondere mit der Analyse der Gendaten. „Wir haben nach genetischen Merkmalen gesucht, die bei erkrankten Personen gehäuft vorkommen. Dazu muss man Gendaten von möglichst vielen Menschen miteinander vergleichen. Nur so kommt man zu aussagekräftigen Ergebnissen und kann Zufallssignale von echten Auffälligkeiten unterscheiden.“

Wichtige Beiträge zur Studie leistete überdies das Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. „Wir haben DNA-Proben genotypisiert. Das ist so ähnlich als würde man genetische Fingerabdrucke erstellen“, sagt Institutsleiter Prof. Markus Nöthen.

Durchmusterung des Erbguts

Das IGAP-Konsortium untersuchte das Erbgut von insgesamt 74.046 Personen. Davon waren mehr als 25.000 an Alzheimer erkrankt, die übrigen gesundheitlich unauffällig. Hochleistungscomputer halfen bei der Auswertung der gewaltigen Datenmenge.

Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens waren sogenannte genomweite Assoziationsstudien (GWAS). Dabei wurde das Genom mit seinen Milliarden von Bausteinen nicht komplett katalogisiert, sondern nur an relevanten Positionen untersucht. Diese Form der Durchmusterung verringert den Aufwand, erreicht aber gleichzeitig eine gute Abdeckung. Rund sieben Millionen Positionen nahmen die Forscher ins Visier – und wurden fündig.

Kritische Stellen

„Wir sind im menschlichen Erbgut auf elf Stellen gestoßen, die bislang weitgehend unbeachtet waren. Doch falls das Genoms dort gewisse Veränderungen aufweist, dann steigt die Wahrscheinlichkeit an Alzheimer zu erkranken“, sagt Becker. „Allerdings führt dieses erhöhte Risiko nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung.“

Noch wissen die Forscher nicht im Detail, welche Funktionen die betroffenen Regionen ausüben. „Einige dieser Gene hängen mit den Eiweißen Amyloid-Beta und Tau zusammen, die für Alzheimer bekanntermaßen von Bedeutung sind. Bei den anderen kritischen Regionen können wir noch nicht mit Gewissheit sagen, welche Rolle sie spielen“, so Ramirez. „Wir vermuten, dass sie sich beispielsweise auf Nervenverbindungen und auf Transportvorgänge im Inneren der Nervenzellen auswirken. Außerdem scheint das Immunsystem beteiligt zu sein. Als nächstes wird es darum gehen, dies genauer zu untersuchen.“

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