Brustkrebs auf der Spur

25.10.2013 - Deutschland

Neben Mutationen in den Genen BRCA1/2 sind auch solche im PALB2-Gen für eine erhöhte Brustkrebsanfälligkeit verantwortlich. Forschern vom Jenaer Leibniz-Institut für Altersforschung und der Universität Oulu in Finnland gelang der Nachweis, wie eine Mutation von PALB2 DNA-Schäden verursacht, obwohl die Zelle noch über eine intakte Kopie des Gens verfügt. Die Verdopplung der DNA läuft in solchen Zellen beschleunigt ab, so dass dadurch vermehrt Fehler entstehen können. Aufgrund einer unzureichenden Schadensantwort kommt es zu einer erhöhten Chromosomen-Instabilität; ein Mechanismus, der für frühe Phasen der Brustkrebs-Entstehung verantwortlich ist.

Prof. Robert Winqvist, Universität Oulu / Finnland

Der Chromosomensatz - die Gesamtheit aller Chromosomen einer Zelle - wird durch die Anzahl sowie Morphologie und Struktur der Chromosomen charakterisiert. Die Abbildung zeigt typische chromosomale Abweichungen peripherer Blutlymphozyten einer Patientin mit einer PALB2-Mutation.

Mit rund 72.000 Neuerkrankungen jährlich ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Eine erhöhte erbliche Prädisposition (Veranlagung) geht mit einer Vielzahl von Genen einher. In 5-10% der vererblichen Fälle wird sie mit einer Mutation der brustkrebsassoziierten Gene BRCA1 und BRCA2 in Verbindung gebracht, die durch Regulation der homologen Rekombination zum Erhalt der genomischen Stabilität beitragen und damit eine wichtige Rolle bei der Reparatur von DNA-Schäden spielen. Ein ebenso wichtiges Kandidaten-Gen ist PALB2; z.B. in Finnland sind bis zu 1% der Brustkrebsfälle auf PALB2-Mutationen zurückzuführen. Wie und über welchen Mechanismus die Erkrankungen entstehen, war bisher nicht bekannt.

Ein internationales Team um Dr. Helmut Pospiech vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und Prof. Robert Winqvist von der Universität Oulu in Finnland untersuchte jetzt mit Kooperationspartnern vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Rutgers Cancer Institute in New Jersey, USA, wie sich mutierte PALB2-Zellen bei Zellteilungsexperimenten verhalten. „Für unsere Studien verwendeten wir Probenmaterial von Frauen, die eine PALB2-Mutation in sich trugen, mit der Besonderheit, dass ein Teil von ihnen bereits an Brustkrebs erkrankt war, während die anderen völlig gesund waren“, berichtet Dr. Pospiech, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Prof. Frank Große am FLI sowie am Biochemischen Institut der Universität Oulu in Finnland. Von früheren Arbeiten wusste man, dass das PALB2-Protein an BRCA2 bindet und dessen Chromatin-Bindung stabilisiert, die für die Reparatur von Chromosomen-Brüchen wichtig ist. PALB2 steuert darüber hinaus bei der homologen Rekombination, einem Reparaturmechanismus der Zelle zur Vermeidung von DNA-Schäden, die Interaktion zwischen BRCA1 und BRCA2.

„Bei der mutierten Form fanden wir nur halb so viel PALB2-Protein in den Zellen vor, wie normalerweise vorkommen sollte“, erzählt Pospiech. Die Forscher konnten zeigen, dass es bei den mutierten Zellen zu einer Deregulierung der Replikation, der Verdopplung der DNA, kommt. „Von den circa 250.000 definierten Orten, an denen die Replikation starten kann, werden in der Regel nur etwa zehn Prozent tatsächlich benutzt. Der Rest dient als eine Art stille Reserve, um gegen Stress und andere Störfaktoren gewappnet zu sein“, so Pospiech weiter. Treten bei der Verdopplung Probleme auf, dann bleibt die Replikation stehen und fängt in der Nachbarschaft neu an. Dazu wird die „schlafende“ Reserve geweckt.

„Im Gegensatz zu den Kontrollzellen stellten wir bei den Zellen von Mutationsträgern fest, dass die Replikation doppelt so häufig gestartet wird und dadurch beschleunigt abläuft, jedoch die Replikation an vielen Stellen oft nicht bis zum Ende durchläuft; die DNA quasi wie mit heißer Nadel verdoppelt wird“, so der Biochemiker weiter. Mit fatalen Folgen, denn dadurch können vermehrt Fehler entstehen, da wichtige Kontrollmechanismen umgangen werden. So konnten die Forscher zeigen, dass bei der Replikation vermehrt auf die stille Reserve zurückgriffen wird, ohne dass dafür irgendeine äußere Störung oder Stress der Auslöser waren. „Damit besitzen die mutierten Zellen eine geringere Kapazität, um auf induzierten Replikationsstress zu reagieren, da sie bereits unter normalen Bedingungen am Limit fahren und der zur Schadensreparatur benötigte Sicherheitspuffer zum Teil schon aufgebraucht ist“.

Beim Zellwachstumsprozess prüfen diverse Kontrollpunkte, ob alle Prozesse ordnungsgemäß abgelaufen und eventuelle Schäden bereits entfernt worden sind, bevor die nächste Phase der Zellteilung gestartet wird. Fügt man den Zellen Schaden zu, dann zeigen die mutierten Zellen nur zu Beginn eine robuste DNA-Schadensantwort, können diese aber nur unzureichend aufrechterhalten. „Den mutierten Zellen geht bereits nach wenigen Stunden die Puste aus, so dass fehlerhafte Zellen freigegeben werden und letztendlich Chromosomen-Schäden auftreten“, unterstreicht Pospiech. Frisch isolierte Blutlymphozyten von Mutationsträgern weisen bereits viele Chromosomen-Anomalien auf, so dass die aufgezeigte Genom-Destabilisierung nicht nur in den untersuchten Zellkulturen, sondern auch in den Zellen der betroffenen Personen stattfindet. Wichtig ist hierbei, dass bereits der funktionelle Verlust einer Kopie des PALB2-Gens zu den beschriebenen Defekten führt.

Veränderungen der Anzahl und Struktur der Chromosomen treten in gealterten Zellen gehäuft auf; insbesondere die Entstehung von Tumoren im Alter ist häufig mit der Chromosomen-Instabilität verbunden. „Der von uns identifizierte Mechanismus zeigt eindringlich, dass die Geschwindigkeit der Zellteilung selbst zum Problem werden kann“, so Pospiech, „damit verbessern die Ergebnisse unser Verständnis zur Entstehung von chromosomaler Instabilität in alternden Zellen und der Entstehung von Krebs als dessen Folge“.

„Bei unseren Untersuchungen waren die Kontrollzellen häufig sehr homogen, während sich die Trägerzellen oft sehr variabel verhielten.“ Obwohl alle Patienten die gleiche PALB2-Mutation trugen, waren einzelne Schadensmerkmale (Phänotype) unterschiedlich stark ausgeprägt, so dass eine altersbedingte Anpassung denkbar wäre. Die Forscher möchten deshalb in einem nächsten Schritt untersuchen, ob die beschriebenen Replikationsfehler in Abhängigkeit vom Alter gehäuft auftreten, da mit dem Alter nicht nur die Verdopplung des Erbmoleküls fehleranfälliger wird, sondern auch die körpereigenen Reparaturtrupps der Zelle altern.

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