Neuartige Grippe-Pille in Deutschland auf dem Markt
Frankfurt/Main (dpa) - In Deutschland ist seit Dienstag eine neuartige Grippe-Pille auf dem Markt, die sowohl zur Therapie als auch zur Vorbeugung eingesetzt werden kann. Tamiflu lindere die Beschwerden um 40 Prozent, verringere die Folgeschäden um 55 Prozent und verkürze die Krankheitsdauer um bis zu 40 Prozent, sagte Prof. Peter Wutzler, Direktor des Instituts für Antivirale Chemotherapie an der Universität Jena. Er berief sich bei der Vorstellung des Medikaments am Dienstag in Frankfurt auf mehrere Wirksamkeitsstudien.
Dem Hersteller Hoffmann-La Roche zufolge ist die Grippepille der erste Neuraminidase-Hemmer zum Schlucken. Das Produkt mit dem Wirkstoff Oseltamivir ist als Pulver und Tablette erhältlich. Neuraminidase-Hemmer verhindern die Vermehrung des Virus im Körper, indem sie das Enzym stören, das zum Ablösen des neu produzierten Erregers von der sterbenden Wirtszelle benötigt wird.
Die Arbeitsgemeinschaft Influenza in Marburg sieht in dem Produkt eine wertvolle Ergänzung der bisherigen Behandlungsmöglichkeiten. Der Wirkmechanismus von Neuraminidase-Hemmern sei zwar bekannt, bisher sei aber nur ein zu inhalierendes Pulver auf dem Markt, sagte der Epidemiologe der Arbeitsgemeinschaft, Helmut Uphoff, der dpa. Pillen oder Säfte dieser Bauart habe es bisher nicht gegeben. Neu sei auch die Doppelzulassung zur Therapie und Vorbeugung. Allerdings dürfe die Pille eine Impfung keinesfalls ersetzen. «Das ist die Vorbeugungsmaßnahme Nummer eins.» Als Prophylaxe sei die Pille höchstens «eine interessante Ergänzung».
In der praktischen Anwendung als Grippemittel sieht Uphoff noch Schwierigkeiten. Das Medikament müsse sehr früh verabreicht werden, damit es seine Wirkung voll entfalten könne. «Da gibt es nur ein sehr kleines Zeitfenster.» Wenn keine Epidemie herrsche, hielten viele Menschen Grippe jedoch für eine schwere Erkältung und gingen nicht zum Arzt. Auch würden Ärzte die Symptome nicht sicher genug erkennen.
Kinder dürfen ab einem Jahr damit behandelt werden. Vorbeugend dürfen sie das Medikament ab dem 13. Lebensjahr nehmen. Bei Kindern seien die Symptome um 29 Prozent zurück gegangen, berichtete Wutzler. Komplikationen wie Lungenentzündung seien bei Kindern um 40 Prozent, die Krankheitsdauer um 26 Prozent verringert worden.
Zur Routine-Vorbeugung sei die Pille nicht gedacht, betonten Hersteller und Experten. Eine vorbeugende Behandlung mit Tamiflu ist den Empfehlungen zufolge sinnvoll, wenn beispielsweise ein Fall in einer Familie aufgetreten ist. Jährlich sterben 10 000 bis 15 000 Menschen direkt oder indirekt an Grippe. Die Bevölkerung unterschätze diese tödliche Krankheit, sagte Wutzler, weil sie Erkältung, grippalen Infekt und Grippe (Influenza) begrifflich nicht unterscheide.
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