Problemlösen lenkt die Verarbeitung von Sinneseindrücken

25.06.2013 - Schweiz

Verschiedene Hirnareale verarbeiten unsere Sinneseindrücke. Wie diese Areale der Grosshirnrinde miteinander kommunizieren und sensorische Informationen verarbeiten, beschäftigt die Neurowissenschaft seit Langem. Nun zeigen Hirnforscher der Universität Zürich anhand des Tastsinnes von Mäusen: Die Weiterleitung sensorischer Informationen von einem Areal an verbundene Areale hängt ab von der Aufgabenstellung und einem zielgerichteten Verhalten. Diese Erkenntnisse sind wichtig als Grundlage für das bessere Verständnis von kognitiven Störungen.

Jerry Chen, HiFo, UZH

Nervenzellen im primären somatosensorischen Areal (S1) der Hirnrinde der Maus. Violett gefärbte Zellen projizieren zum sekundären somatosensorischen Areal (S2), blau gefärbte Zellen zum Motorkortex (M1). Die Stärke der schematisch dargestellten Kommunikation zwischen den Arealen hängt von der zu lösenden Aufgabenstellung ab: links, Sandpapierunterscheidung; rechts, Lokalisationsproblem.

Im Gehirn von Säugetieren ist die Grosshirnrinde entscheidend an der Verarbeitung von Sinneseindrücken beteiligt. Die Hirnrinde kann in verschiedene Areale unterteilt werden, wovon jedes einen anderen Aspekt der Wahrnehmung, Entscheidungsfindung oder Handlung bedient. So umfasst der somatosensorische Kortex jenen Anteil an der Grosshirnrinde, der hauptsächlich die haptische Wahrnehmung verarbeitet. Die verschiedenen Areale der Hirnrinde sind miteinander vernetzt und kommunizieren miteinander. Eine zentrale, ungelöste Frage der Neurowissenschaften ist, wie diese Hirnareale miteinander kommunizieren, um Sinneseindrücke zu verarbeiten und ein entsprechendes Verhalten zu erzeugen. Eine Antwort darauf liefert die Gruppe um Professor Fritjof Helmchen am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich: Die Verarbeitung von sensorischen Informationen ist davon abhängig, was man erreichen möchte. Die Hirnforscher haben beobachtet, wie Nervenzellen im sensorischen Kortex, die mit unterschiedlichen Hirnarealen kommunizieren, bei der Problemlösung verschiedener Aufgaben sehr unterschiedlich aktiviert werden.

Zielgerichtete Verarbeitung sensorischer Informationen

Die Forschenden untersuchten, wie Mäuse ihre Schnurrhaare benutzten, um ihre Umgebung zu ertasten, ähnlich wie wir unsere Hände und Finger. Eine Mäusegruppe wurde darauf trainiert, mit Hilfe ihrer Schnurrhaare grobe von feinen Sandpapieren zu unterscheiden, um eine Belohnung zu erhalten. Eine andere Gruppe musste herausfinden, in welchem Winkel zu ihren Schnurrhaaren sich ein Objekt ­–­ eine Metallstange – befand. Die Hirnforscher massen mithilfe einer neuen Mikroskopietechnik die Aktivität von Nervenzellen im primären somatosensorischen Kortex. Durch gleichzeitige anatomische Färbungen identifizierten sie zudem, welche dieser Nervenzellen ihre Fortsätze zu dem weiter entfernt liegenden sekundären somatosensorischen Areal bzw. zum Motorkortex sandten.

Die primären somatosensorischen Nervenzellen mit Projektionen zum sekundären somatosensorischen Kortex wurden vorwiegend dann aktiv, wenn Mäuse die Oberfläche der Sandpapiere unterscheiden mussten. Währenddessen waren Nervenzellen mit Fortsätzen zum Motorkortex stärker bei der Lokalisation der Metallstange beteiligt. Diese unterschiedlichen Erregungsmuster zeigten sich jedoch nicht, wenn Mäuse die Sandpapiere oder Metallstangen passiv, ohne Aufgabenstellung berührten, d.h. ihre Handlung nicht durch eine Belohnung motiviert war. Die sensorischen Stimuli allein waren also nicht hinreichend für das Muster der Informationsweiterleitung an entferntere Hirnareale.

Kommunikationsstörung im Gehirn

Laut Fritjof Helmchen kann die Aktivität in einem Hirnrindenareal gezielt zu weiter entfernten Arealen geleitet werden, wenn wir spezifische Informationen aus der Umgebung herausfiltern müssen, um eine Aufgabe zu lösen. Gerade diese Kommunikation zwischen Hirnarealen funktioniert bei kognitiven Störungen, wie beispielsweise bei Alzheimer, Autismus oder Schizophrenie, häufig nicht. «Ein besseres Verständnis der Funktionsweise dieser weitreichenden, vernetzten Verbindungen im Gehirn kann möglicherweise helfen, Therapien zu entwickeln, welche diese spezifische kortikale Kommunikation wiederherstellen», sagt Fritjof Helmchen. Das Ziel ist, die beeinträchtigten kognitive Fähigkeiten der Betroffenen so wieder zu verbessern.

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