Homer verhindert stressbedingte Lernschwäche

Ein Mangel an Homer-1 im Gehirn lässt Mäuse schlechter lernen

28.02.2013 - Deutschland

Vor Prüfungen oder in kritischen Situationen sollten wir besonders lernfähig und aufnahmebereit sein. Doch akuter Prüfungsstress und Lampenfieber führt bei vielen Menschen zu Lernblockaden und verringertem Erinnerungsvermögen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München haben nun einen Stresshormon-unabhängigen ursächlichen Mechanismus für diese Lerndefizite entdeckt. In Tierstudien zeigen die Forscher, dass sozialer Stress die Mengen an Homer-1 im Hippocampus verringert - einer für Lernen zentralen Gehirnregion. Dieser spezifische Proteinmangel führt zu einer veränderten Nervenzellaktivität, in deren Folge die Tiere schlechter lernen. Experimentell lässt sich das Lerndefizit durch Verabreichung zusätzlicher Proteinmengen verhindern. Dies macht Homer-1 zu einem Schlüsselmolekül für die Entwicklung von Medikamenten gegen stressbedingte Lernschwäche.

Klaus Wagner, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, hat das Lernverhalten von Mäusen untersucht, nachdem sie stark gestresst wurden. Er setzte die Tiere sozialem Stress aus – einer Belastung, die auch Menschen heutzutage oft empfinden. Eine männliche Maus wurde dabei für fünf Minuten in den Käfig eines aggressiven Artgenossen gesetzt, der diesen Eindringling mit Attacken und Angriffen zu vertreiben versucht. Die Testmaus konnte, anders als in freier Natur, nicht aus dem Käfig fliehen und stand unter starkem Stress, wie Messungen der Stresshormone im Blut nachwiesen.

Nach acht Stunden, in denen sich das Tier in seinem eigenen Käfig erholen konnte, wurde sein Verhalten untersucht. Während Motivation, Aktivität und Sinnesfunktionen der Maus zu diesem Zeitpunkt nicht beeinträchtigt waren, traten in ihrem Lernverhalten deutliche Einbußen auf. Eine einzige fünfminütige soziale Stresssituation hatte also genügt, um das Tier Stunden später schlechter lernen zu lassen.

Die Forscher am Max-Planck-Institut versuchten nun herauszufinden, welche Mechanismen für diese Lerndefizite verantwortlich sind. Sie identifizierten das Protein Homer-1, dessen Konzentration spezifisch im Hippocampus nach Stress abnimmt. Interessanterweise konnten die Wissenschaftler durch die Gabe eines Stresshormon-ähnlichen Wirkstoffs keine Konzentrationsänderungen von Homer-1 im Gehirn auslösen. Damit wurde  erstmalig gezeigt, dass einwirkender Stress neben der durch Stresshormone vermittelten Wirkung auf das Nervensystem weitere unabhängige Regulationssysteme aktiviert. Interessanterweise löst eine Stresshormonerhöhung ohne eigentliche Stresserfahrung weder die beobachtete Lernschwäche noch die Konzentrationsänderungen von Homer-1 im Gehirn aus. Damit zeigen die Forscher, dass einwirkender Stress weitere - Stresshormon unabhängige - Regulationssysteme aktiviert. So moduliert das Protein Homer-1 im Zusammenspiel mit dem neuronalen Botenstoff Glutamat und dessen Rezeptor die Kommunikation an den Synapsen der Nervenzellen. Nimmt die Menge an Homer-1 nach Stress im Hippocampus ab, ist die natürliche Rezeptoraktivität empfindlich gestört und die Lernfähigkeit nimmt ab. Diesen Effekt konnten die Forscher verhindern, indem sie die Homer-1-Konzentration wieder erhöhten.

Mathias Schmidt, Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie interpretiert die Ergebnisse wie folgt: „Mit unserer Studie haben wir eine von Stresshormonen weitgehend unabhängige Regulation der Glutamat-vermittelten Kommunikation im Hippocampus nachgewiesen, die das Lernverhalten direkt reguliert. Das Molekül Homer-1 nimmt in diesem Prozess eine Schlüsselposition ein, die uns zukünftig hoffentlich neue Möglichkeiten der gezielten pharmakologischen Intervention erlaubt, um stressbedingte Lerndefizite zu vermeiden.“

Originalveröffentlichung

K. V. Wagner, J. Hartmann, K. Mangold, X.-D. Wang, C. Labermaier, C. Liebl, M. Wolf, N. C. Gassen, F. Holsboer, T. Rein, M. B. Müller & M. V. Schmidt; "Homer1 mediates acute stress-induced cognitive deficits in the dorsal hippocampus."; Journal of Neuroscience, 2013.

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