Warum es schlechte Lerner gibt
EEG-Aktivität sagt Lernerfolg voraus
© MPI CBS Leipzig
Lernen ohne Aufmerksamkeit: Passives Training für den Tastsinn
Wie gut wir lernen, hängt von genetischen Aspekten, der individuellen Gehirnanatomie und nicht zuletzt der Aufmerksamkeit ab. „Wir haben in den vergangenen Jahren ein Verfahren etabliert, mit dem wir bei Menschen Lernprozesse auslösen, die keine Aufmerksamkeit erfordern“, sagt Hubert Dinse. Diesen Faktor konnten die Forscher also ausklammern. Sie reizten 30 Minuten lang wiederholt den Tastsinn der Teilnehmer, indem sie die Haut an der Hand elektrisch stimulierten. Vor und nach diesem passiven Lerntraining testeten sie die sogenannte Zwei-Punkt-Diskriminationsschwelle – ein Maß für die Sensibilität des Tastsinns. Dabei übten sie mit zwei Nadeln sanften Druck auf die Hand aus und bestimmten den kleinsten Abstand zwischen den Nadeln, bei dem der Proband sie noch als separate Reize wahrnahm. Im Durchschnitt verbesserte das passive Training die Diskriminationsschwelle um zwölf Prozent – aber nicht bei jedem der 26 Teilnehmer. Warum manche Leute besser lernten als andere, untersuchte das Team mittels EEG.
Den Hirnzustand im EEG abbilden: Die Alpha-Wellen sind entscheidend
Die Berliner und Leipziger Kooperationspartner PD Dr. Petra Ritter, Dr. Frank Freyer und Dr. Robert Becker zeichneten vor und während des passiven Lerntrainings das spontane EEG der Probanden auf. Dann identifizierten sie die Komponenten der Hirnaktivität, die mit einer Verbesserung beim Diskriminationstest zusammenhingen. Entscheidend war die Alpha-Aktivität, also die Hirnaktivität im Frequenzbereich von 8 bis 12 Hertz. Je höher die Alpha-Aktivität vor dem passiven Training, desto besser lernten die Leute. Außerdem lernten sie umso einfacher, je mehr die Alpha-Aktivität während des passiven Trainings abnahm. Diese Effekte traten über dem somatosensorischen Kortex auf, also dort wo der Tastsinn im Gehirn verortet ist.
Das Ziel: Therapieansätze entwickeln
„Wie der Alpha-Rhythmus es schafft, das Lernen zu beeinflussen, untersuchen wir mit Computermodellen“, sagt PD Dr. Petra Ritter, Leiterin der Arbeitsgruppe BrainModes am MPI Leipzig und der Berliner Charité. „Erst wenn wir die Art der komplexen Informationsverarbeitung des Gehirns verstehen, können wir ganz gezielt in die Prozesse eingreifen, um bei Störungen zu helfen“, fügt Petra Ritter hinzu. Neue Therapieansätze zu entwickeln, ist das gesteckte Ziel des Kooperations-Netzwerkes, das Ritter koordiniert, des internationalen „The Virtual Brain“-Projektes, an dem ihr Team beteiligt ist, und des von Dinse geleiteten „Neural Plasticity Lab“ an der RUB.
Lernen ist abhängig vom Zugang zu sensorischer Information
Eine hohe Alpha-Aktivität gilt als Marker für die Bereitschaft des Gehirns, neu eintreffende Informationen zu verwerten. Umgekehrt gilt eine starke Abnahme während der sensorischen Stimulation als Indikator dafür, dass das Gehirn die Reize besonders effizient verarbeitet. Die Ergebnisse legen also nahe: Wahrnehmungsbasiertes Lernen ist stark davon abhängig, wie zugänglich die sensorische Information ist. Die Alpha-Aktivität als Marker sich ständig verändernder Hirnzustände moduliert diese Zugänglichkeit.