Mechanismus zur Reparatur von verklumpten Proteinen aufgeklärt

Heidelberger Wissenschaftler entschlüsseln die Funktion bestimmter molekularer Chaperone

22.11.2012 - Deutschland

Verklumpte Proteine können mit Hilfe zellulärer Reparatursysteme aufgelöst werden – ein Prozess, der für das Überleben von Zellen gerade unter Stressbedingungen von vitaler Bedeutung ist. Der fundamentale Mechanismus zur Auflösung von Proteinaggregaten, bei dem bestimmte molekulare Chaperone zum Einsatz kommen, ist jetzt von Heidelberger Wissenschaftlern entschlüsselt worden. Beteiligt waren Forscher des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums, die mit Experten des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien zusammengearbeitet haben. Die Forschungsergebnisse wurden in „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.

ZMBH

Mechanismus der Proteinaggregatauflösung durch Hsp70/Hsp100 Kooperation. Das ringförmige Hsp100 liegt in zwei Strukturzuständen vor, einem inaktiven und einem aktivierten Zustand. Ein molekularer Schalthebel hält das Hsp100 Chaperon im inaktiven Zustand. Durch Interaktion mit Hsp70 wird die Stellung des Schalters verändert und das Hsp100 Chaperon aktiviert. In diesem Zustand kann es Proteinstränge aus dem Aggregat herausziehen. Die Aktvierung von Hsp100 ist nicht von Dauer, so dass das Chaperon nach der Aggregatauflösung wieder in den inaktiven Zustand zurückfällt.

Proteine bestehen aus langen Ketten aufeinanderfolgender Aminosäuren und üben lebensnotwendige Funktionen in jeder Zelle aus. Um Funktionalität zu erreichen, muss zunächst jede Aminosäurekette eine bestimmte dreidimensionale Struktur einnehmen – sie muss sich falten. Eine Änderung der Wachstumsbedingungen wie zum Beispiel ein Anstieg der Umgebungstemperatur kann dazu führen, dass Proteine ihre Struktur verlieren und sich entfalten. Dabei besteht die Gefahr, dass entfaltete Proteinketten miteinander verklumpen und Proteinaggregate bilden. „Kommt es zur Bildung solcher Aggregate, hat dies den Funktionsverlust der Proteine zur Folge und kann zum Zelltod führen, wie dies bei neurodegenerativen Erkrankungen, etwa Alzheimer und Parkinson, oder auch bei Alterungsvorgängen der Fall ist“, so Prof. Dr. Bernd Bukau, der Direktor des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) ist und zugleich am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht.

Eine Verklumpung muss jedoch nicht unbedingt den Endpunkt im Lebenszyklus eines Proteins darstellen. „Zellen besitzen Reparatursysteme für beschädigte Proteine, sogenannte molekulare Chaperone, die sogar aggregierte Proteine auflösen und zurückfalten können“, erläutert Privatdozent Dr. Axel Mogk, der ebenfalls dem ZMBH und dem DKFZ angehört. Die „Reparatur“ wird durch ein kooperierendes Team von zwei Chaperonen – der französische Ausdruck für „Anstandsdame“ – mit den Bezeichnungen Hsp70 und Hsp100 bewerkstelligt. Die Heidelberger Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass die Aktivität des Hsp100-Chaperons durch einen eingebauten molekularen Schalter reguliert wird.

Dieser Schalter ist zunächst so positioniert, dass er den Energieverbrauch, das heißt die ATP-Hydrolyse, und damit die Aktivität des Hsp100-Chaperons drosselt. Das kooperierende Hsp70-Protein verändert die Stellung des Schalters und aktiviert Hsp100 direkt am Proteinaggregat. In diesem Zustand läuft der „Motor“ des ringförmigen Hsp100-Proteins auf vollen Touren, entwickelt seine komplette Leistungsfähigkeit und kann einzelne Ketten aus dem Aggregat herausziehen. Das herausgelöste, entfaltete Protein hat danach wieder die Chance, die Faltung von vorne zu beginnen. Die Heidelberger Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass die Aktivitätskontrolle von Hsp100 durch den eingebauten Schalter von essentieller Bedeutung für diese komplizierte Proteinmaschine ist, da der Regulationsverlust in hyperaktiven – also permanent aktivierten – Hsp100-Proteinvarianten zum Zelltod führt.

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