G-Proteine steuern Umbau von Blutgefäßen
Max-Planck-Forscher untersuchen Signalwege, über die die glatten Muskelzellen der Blutgefäße auf Veränderungen von außen reagieren
Die Wand von Blutgefäßen besteht aus glatten Muskelzellen, elastischen Fasern und sogenannten Endothelzellen, die das Blutgefäß von innen auskleiden. Je nach Bedarf verändern die Gefäße ihre Durchlässigkeit und ihre Kontraktionskraft. Bei Verletzungen können neue spezialisierte Muskelzellen entstehen und ein Gefäß reparieren. Diese notwendige und nützliche Plastizität der Zellen kann auf der anderen Seite im Fall einer Erkrankung negative Folgen haben. So können sich beispielsweise Herzkranzgefäße, die bei einem Katheter-Eingriff durch Erweiterung und Stents geöffnet wurden, anschließend durch das Wachstum von Muskelzellen erneut verengen. Auch bei der weit verbreiteten Arteriosklerose oder Gefäßverkalkung führen Umbauprozesse zu den gefürchteten Plaques. Reguliert werden all diese Vorgänge von Hormonen oder Neurotransmittern, die unter anderem von Zellen und Nerven der Gefäßwand freigesetzt werden. Die meisten dieser gefäßaktiven Botenstoffe wirken über Rezeptoren, die nach Aktivierung an sogenannte G-Proteine binden. Diese sind an der Innenseite der Zellmembran lokalisiert und leiten das Signal von dort in das Zellinnere weiter.
„Es sind zwei unterschiedliche G-Protein-Familien, die beim Gefäßumbau eine entscheidende Rolle spielen: Wir nennen sie nach ihren Proteinkomponenten Gq/G11 und G12/G13“, erklärt der Max-Planck-Wissenschaftler Stefan Offermanns, der sich seit Jahren mit diesen Proteinen und ihren molekularen Signalwegen beschäftigt. In der aktuellen Studie an genetisch veränderten Mäusen konnte sein Team erstmals zeigen, wie diese zwei Signalwege im lebenden Tier durch Botenstoffe reguliert werden. „Anders als erwartet regulieren die beiden G-Protein-gekoppelten Wege die Plastizität glatter Muskelzellen in entgegengesetzter Richtung“, fasst Offermanns seine Ergebnisse zusammen. Überraschend ist das insofern, als diese Signalwege in anderem Zusammenhang zusammenspielen: Reize, die die Gefäßkontraktion fördern und damit den Blutdruck erhöhen, aktivieren beide Signalwege parallel.
Um die Signalwege und ihre Regulation verfolgen zu können, hat Till Althoff, der Leiter der Studie, Mäuse untersucht, in denen er die Gene für die verschiedenen G-Proteine gezielt inaktiviert hat. In einer an Arteriosklerose erkrankten Maus konnte der Forscher so beispielsweise zeigen, dass sich die spezialisierten Zellen bei Fehlen von G12/G13 in den glatten Muskelzellen rückbilden und exzessiv zu wachsen beginnen – die Folge war eine stark verdickte Gefäßwand. Tiere mit einem Mangel an Gq/G11-Protein hingegen waren gegen diese Zellwandverdickung geschützt.
„Wir sehen hier deutlich, dass die beiden Signalwege beim Gefäßumbau als Gegenspieler wirken“, erklärt Offermanns die Ergebnisse. Was durchaus sinnvoll ist, denn nur so kann man ein System Auf- und Abbau im Gleichgewicht halten. In weiteren Untersuchungen zeigten die Wissenschaftler außerdem, über welche Stufen die beiden Wege ihr Ziel erreichen und im Zellkern die Gene für die Bildung spezialisierter Zellen oder das Zellwachstum ankurbeln.
„Unsere Ergebnisse enthüllen tatsächlich ein ganz neues Bild von der Regulation des Gefäßumbaus, auch bei pathologischen Prozessen“, betont Offermanns. Dies lässt auf neue pharmakologische Ansätze hoffen. So kann der Wissenschaftler sich gut vorstellen, dass man die Plastizität im Rahmen von Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose oder nach kardiologischen Interventionen mit Medikamenten moduliert. Die Zielstrukturen in den beiden Signalwegen sind nun bekannt und zeigen neue Wege auf. So könnte der wachstumsfördernde Weg gehemmt und gleichzeitig der stabilisierende Weg aktiviert werden, um so den Umbauprozess abzubremsen. „Im Tiermodell erproben wir bereits neue therapeutische Ansätze zur Vorbeugung einer Arteriosklerose oder zur Unterdrückung des Zellwachstums in Gefäßen nach einer Verletzung“, berichtet Offermanns.