Wo Koffein im menschlichen Gehirn wirkt
"Koffein ist die weltweit am weitesten verbreitete psychoaktive Substanz", berichtet Dr. Andreas Bauer vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-2). "Sie unterscheidet sich jedoch von Amphetaminen oder anderen Rauschmitteln dadurch, dass sie auch bei regelmäßigem Konsum kein signifikantes Suchtpotenzial entfaltet." Wo genau die stimulierenden Effekte im Gehirn erzeugt werden, konnten die Jülicher Wissenschaftler nun mithilfe eines molekularen bildgebenden Verfahrens, der Positronenemissionstomografie (PET), nachweisen.
"In Laborexperimenten hatten wir bereits zeigen können, dass Koffein einen Bildgebungsmarker namens 18F-CPFPX verdrängt", berichtet der Mediziner. Diesen Effekt machten sich die Wissenschaftler in ihrem aktuellen Forschungsprojekt zunutze. Sie injizierten den Versuchspersonen zunächst den Marker, dessen Wirkstellen im Gehirn mithilfe der PET-Untersuchung zu erkennen sind. Danach erhielten die Studienteilnehmer verschiedene Koffeinmengen intravenös verabreicht, deren Dosierung gebräuchlichen Mengen zwischen zwei und vier Tassen Kaffee entsprach.
Die PET-Aufnahmen zeigten, dass sich der Bildgebungsmarker an einer ganz spezifischen „Andockstelle“ der Nervenzellen - dem sogenannten A1-Adenosinrezeptor – ansiedelte. Von dort verdrängt ihn dann auch das Koffein und blockiert so die Rezeptoren. "Interessanterweise reicht bereits die Menge eines durchschnittlichen täglichen Koffeinkonsums, beispielsweise zwei bis drei Tassen Kaffee, um etwa 50 Prozent der Adenosinrezeptoren zu blockieren. Da Adenosin normalerweise die Nervenzellaktivität hemmt, führt die Blockade mit Koffein zu einer Enthemmung, also einer Aktivierung der Nervenzellen", erläutert Andreas Bauer. "Besonders spannend war es zu sehen, dass dies ausgerechnet in den entwicklungsgeschichtlich jüngsten Arealen des Großhirns geschieht, welche beim Menschen für komplexe kognitive Assoziations- und Bewertungsprozesse zuständig sind."
Die Forscher untersuchen daher momentan in einer großen Studie zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Rolle von Adenosinrezeptoren bei Müdigkeit. Koffein könnte ein Prototyp für die Entwicklung von sogenannten Neuroenhancern sein, die bei Gesunden gezielt zu einer vorübergehenden Steigerung der Gehirnleistung führen.
Epidemiologische Studien aus den vergangenen Jahren zeigen außerdem, dass regelmäßiger Koffeinkonsum das Risiko für die Parkinson- und Alzheimer-Krankheit reduziert. Vor diesem Hintergrund kann das Wissen über die Wirkmechanismen des Koffeins ein wichtiger Schritt sein, um Mittel zur Vorbeugung und neuartige Medikamente zur Behandlung dieser Erkrankungen zu entwickeln. "Unsere Studien zeigen bereits, dass das Koffein in genau den Gehirnregionen wirkt, die auch bei der Alzheimer-Krankheit betroffen sind", erklärt Andreas Bauer. In künftigen Forschungsprojekten sollen daher auch die molekularen Mechanismen des schützenden Koffeinkonsums erforscht werden.