Krebsfördernde Wirkung eines Proteins aufgeklärt

LIN28B induziert das Wachstum von Neuroblastomen

10.10.2012 - Deutschland

Das Neuroblastom ist der häufigste solide Tumor des Kindesalters und für rund 15% aller Krebstodesfälle im Kindesalter verantwortlich. Daher hat die Suche nach Ansatzpunkten für neue Behandlungsstrategien der Neuroblastome eine hohe Relevanz. Einem internationalen Forscherteam um Prof. Dr. med. Johannes H. Schulte aus dem Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN) ist es nun gelungen, einen solchen Ansatzpunkt zu finden. Das Team konnte die krebsfördernde Wirkung des Proteins LIN28B bei der Neuroblastom-Entstehung nachweisen und die Ergebnisse in Nature Genetics veröffentlichen.

Eine onkogene, d.h. Tumor-induzierende Wirkung von LIN28B wird schon seit längerem diskutiert, war bisher jedoch nicht nachgewiesen. Die internationale Forschergruppe um Prof. Schulte von der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie der Universitätsklinik Essen fand bei Untersuchungen von Neuroblastomen in der unter anderem über das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) und die Deutsche Krebshilfe geförderten Arbeit eine höhere Aktivierung von LIN28B in Neuroblastomen als in allen anderen untersuchten Tumoren und Normalgeweben. Diese erhöhte Expression ließ sich auf eine Vervielfältigung des LIN28B Gens zurückführen, die wiederum eine größere Menge des LIN28B Proteins zur Folge hatte. Dieses Protein hemmt microRNAs der Let7-Familie und unterdrückt damit deren tumorinhibierende Wirkung, wie hier am Neuroblastom gezeigt wurde.

MicroRNAs sind kurze RNA-Moleküle, die sich spezifisch an bestimmte mRNA-Abschnitte heften und so die Übersetzung von mRNAs in Proteine unterdrücken. MicroRNAs der Let7-Familie binden an die mRNAs bekannter Onkogene und bewirken so, dass diese abgebaut werden.

Die Forscher wiesen in Zellkulturexperimenten nach, dass LIN28B über die Bindung und Inhibierung von Let-7 microRNAs eine massive Erhöhung der Expression des Onkogens MYCN bewirkt, das sonst von Let-7 microRNAs reguliert wird. MYCN wiederum fördert das Wachstum und die Zellteilung von Neuroblastomzellen und unterdrückt deren Differenzierung. Um die Bedeutung von LIN28B im Gesamtorganismus zu untersuchen, bauten die Forscher eine Extrakopie des Lin28b Gens in das Mausgenom ein und aktivierten dieses Gen in der Neuralleiste, dem vermuteten Ursprungsgewebe der Neuroblastome. Tatsächlich entwickelten diese Mäuse aggressive Neuroblastome, die eine sehr hohe Expression von MYCN aufwiesen.

Um herauszufinden, ob die Neuroblastome der Lin28b-transgenen Mäuse MYCN-abhängig sind, wurden diese mit der Substanz JQ1 behandelt. JQ1 inhibiert die Expression von MYCN und befindet sich bereits in der präklinischen Entwicklung. Tatsächlich führte die Behandlung mit JQ1 in den Neuroblastomen mit erhöhtem Lin28b zur Verringerung des Onkogens MYCN und zum programmierten Zelltod der Tumorzellen, im Unterschied zu den unbehandelten Tumoren.

"Mit diesen Experimenten konnten wir erstmals nachweisen, dass es sich bei LIN28B wirklich um ein Onkogen handelt, das die Fähigkeit besitzt, Tumore zu induzieren", sagt Prof. Schulte. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Aktivierung von MYCN durch LIN28B. "LIN28B stellt somit den möglichen Ansatzpunkt einer zielgerichteten Therapie des Neuroblastoms dar. Die Entwicklung von Substanzen, die spezifisch LIN28B hemmen, ist bereits in Planung", erläutert Prof. Schulte.

Originalveröffentlichung

Molenaar JJ, Domingo-Fernández R, Ebus ME, Lindner S, Koster J, Drabek K, Mestdagh P, van Sluis P, Valentijn LJ, van Nes J, Broekmans M, Haneveld F, Volckmann R, Bray I, Heukamp L et al. ; "LIN28B induces neuroblastoma and enhances MYCN levels via let-7 suppression."; Nature Genetics (2012).

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