Neue Erkenntnisse über die Funktion molekularer Chaperone
Forscherteam der Universität Heidelberg untersucht Wirkungsweise sogenannter Faltungshelfer
Proteine werden von Ribosomen hergestellt, großen molekularen Maschinen, die die gespeicherte genetische Information in eine lange Kette aneinandergereihter Aminosäuren übersetzen. Diese sogenannte Polypeptidkette wird allerdings erst durch die Faltung in eine stabile dreidimensionale Struktur zum funktionsfähigen Protein. Falsch gefaltete Proteine hingegen können drastische Folgen für Zellen oder sogar den Organismus haben. Beispiele hierfür sind neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Um Faltungsdefekte zu verhindern, besitzen Zellen ein ganzes Arsenal an Faltungshelfern, die man als molekulare Chaperone bezeichnet. Einige Chaperone unterstützen die Faltung bereits während der Synthese des Proteins am Ribosom. Die molekularen Details dieses komplexen Prozesses waren bisher weitgehend unverstanden.
Die Heidelberger Molekularbiologen konnten nun die Funktion eines Chaperons aus dem Bakterium Escherichia coli, genannt Trigger Faktor, genauer beschreiben. Dafür wurden sämtliche zur Proteinsynthese benötigten Komponenten aus den Bakterienzellen isoliert und die Faltung von Proteinen während der Synthese im Reagenzglas untersucht. „Es zeigte sich, dass die wachsende Polypeptidkette zu Beginn der Synthese durch ihre räumliche Nähe zum Ribosom an der Faltung gehindert wird. Diese Hemmung nimmt im Laufe der Synthese dadurch ab, dass sich die bereits synthetisierten Teile der wachsenden Kette durch die Anheftung neuer Aminosäuren immer weiter vom Ribosom entfernen“, erklärt Dr. Kramer. Trigger Faktor verlängert den Effekt des Ribosoms und wirkt der Faltung weiter entgegen. Er bindet im Laufe der Translation an das Ribosom und die teilweise synthetisierte Polypeptidkette und verhindert dadurch auch die Faltung von Teilen des Proteins, die bereits weiter vom Ribosom entfernt sind. Beide Faktoren, das Ribosom und Trigger Faktor, verhindern damit eine verfrühte Faltung des entstehenden Polypeptids.
„Überraschenderweise kann Trigger Faktor darüber hinaus sogar Teile des Proteins entfalten“, erläutert Dr. Kramer. Durch diese Aktivität von Trigger Faktor kann das Protein in den Anfangszustand der ungefalteten Kette zurückversetzt werden und einen neuen Versuch zur Faltung starten, falls der vorherige nicht erfolgreich war. „Entscheidend ist, dass Trigger Faktor diese Entfaltungsaktivität nur zeigt, wenn er am Ribosom gebunden ist, und er somit bereits vollständig synthetisierte Proteine nicht entfalten kann.“
Zusammen mit weiteren Ergebnissen des Heidelberger Forscherteams konnte so ein erweitertes Modell zum molekularen Mechanismus der Faltung von Proteinen entwickelt werden: Zu Beginn der Proteinsynthese verhindert das Ribosom die verfrühte Faltung der noch wachsenden Polypeptidkette. Da zu diesem Zeitpunkt weitere wichtige Modifikationen an der Proteinkette durchgeführt werden müssen, ist Trigger Faktor in dieser Phase noch nicht beteiligt. Die Bindung von Trigger Faktor hält die wachsende Polypeptidkette weiter entfaltet, bis genügend große Anteile der Proteins synthetisiert sind, damit eine produktive Faltung stattfinden kann. Hat das Protein bei der Bindung von Trigger Faktor allerdings bereits verfrühte Faltungsschritte unternommen, so kann dies durch Trigger Faktors Entfaltungsaktivität rückgängig gemacht werden. Dadurch kann aktiv verhindert werden, dass zellschädigende Proteine in der Zelle entstehen. „Mit diesen Ergebnissen wurde ein wichtiger Grundstein für ein detaillierteres Verständnis der Umsetzung genetischer Information in funktionsfähige Proteine gelegt – ein Prozess, der für das Überleben jeder Zelle und jedes Organismus unverzichtbar ist“, erklärt Prof. Bukau.