Überraschungsfund im Hirn: Huntington-assoziiertes Protein in neuen Varianten

25.07.2012 - Österreich

Ein mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehendes Protein wird auch in mehreren Hirn-spezifischen Formen gebildet. Das zeigen jetzt in Human Molecular Genetics publizierte Ergebnisse, die aus einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt stammen. Gefunden wurde eine neue Region im genetischen Code des Proteins PGC-1alpha. Von dieser Region aus werden bisher unbekannte Variationen des Proteins hergestellt, die speziell im Hirn zu finden sind. Diese Entdeckung bietet möglicherweise Gewebe-spezifische Ansatzpunkte für neue Therapiemöglichkeiten von Chorea Huntington, Parkinson und Alzheimer.

Wolfgang Patsch

Einleuchtendes Ergebnis: Subzelluläre Lokalisationsmuster eines neu entdeckten Hirn-spezifischen Proteins

PGC-1alpha ist ein kleiner Tausendsassa. Als ein zentraler Regulator von Stoffwechsel-Genen die den Energie-Metabolismus koordinieren, nimmt der sogenannte "transcriptional coactivator" Einfluss auf wesentliche Körperfunktionen. Inwieweit das Protein auch Einfluss auf Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und das metabolische Syndrom hat, ist nicht klar und wurde in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF weiter untersucht. Dabei stieß man auch auf überraschende Ergebnisse mit Relevanz für neurodegenerative Erkrankungen.

Großer Unterschied

Ein Team um Prof. Wolfgang Patsch von den Instituten für Pharmakologie und Toxikologie und Med. Chem. Labordiagnostik der Paracelsus Medizinische Privatuniversität stellte fest, dass das für PGC-1alpha codierende Gen (PPARGC1A) sechsmal größer ist, als bisher angenommen. Tatsächlich fand man in einiger Entfernung (ca. 580 kb) vom bisher bekannten Gen einen neuen Promotor. Ein Promotor stellt einen DNA-Abschnitt dar, der die Umsetzung genetischer Information in Proteine steuert. Ein wichtiger Zwischenschritt ist dabei die Übertragung genetischer Information von DNA- auf RNA-Moleküle - die Transkription.

Im Rahmen des Projekts wurden nun Transkripte, die von dem neu entdeckten Promotor aus hergestellt werden, weiter untersucht. Dazu Dr. Selma M. Soyal, Erstautorin der nun in Human Molecular Genetics publizierten Daten: "Diese Transkripte unterscheiden sich an wichtigen Stellen von jenen, die bisher als Referenz für PGC-1alpha dienten. Anhand dieser Unterschiede konnten wir zeigen, dass diese bisher unbekannten Transkripte speziell in menschlichen Hirnzellen vorkommen und dort mindestens genauso häufig sind wie die Referenz-Transkripte." Weitere Analysen zeigten, dass die Unterschiede der Transkripte zu Proteinen führen, die sich insbesondere am sogenannten N-Terminus von dem als Referenz dienenden Protein unterscheiden. Weitere Unterschiede wurden innerhalb der Aminosäurekette von PGC-1alpha gefunden.

Eine weitere Überraschung ergab sich, als die verschiedenen PGC-1alpha-Proteine in menschlichen Zellen (SH-SY5Y) lokalisiert wurden: Während das Referenzprotein vor allem im Zellkern vorkam, fand sich eine der neu entdeckten Varianten nur im umgebenden Zytoplasma und eine andere sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma. Dazu Prof. Patsch: "Es könnte sein, dass die von uns gefundenen Unterschiede in den Transkripten bei den fertigen Proteinen Mechanismen zu ihrer Lokalisation in der Zelle beeinflussen."

Protein mit Impact

Die detaillierte funktionelle Charakterisierung der Hirn-spezifischen Proteine wäre insofern bedeutsam, da PGC-1alpha mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie Chorea Huntington, Parkinson und Alzheimer in Verbindung gebracht wird. Ein Zusammenhang, der auch im Projekt Bestätigung fand. Dazu wurden in aufwändigen statistischen Analysen Sequenzunterschiede im neuen Promotor in Proben einer internationalen Studiengruppe von 1.706 Chorea Huntington-PatientInnen analysiert. Dabei zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Sequenzmustern und dem Alter, in dem die Erkrankung bei den PatientInnen begann. Weiters konnte gezeigt werden, dass der neu entdeckte Promotor in Nervengewebe aktiv ist. Damit könnte er also tatsächlich eine wichtige Rolle bei den nur teilweise bekannten Zusammenhängen zwischen PGC-1alpha und den neurodegenerativen Erkrankungen haben.

Insgesamt deuten die Ergebnisse dieses vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekts ein komplexes Vorkommen von PGC-1alpha im Menschen an. Wird diese Komplexität besser verstanden, dann könnte PGC-1alpha zukünftig neue Möglichkeiten für therapeutische Interventionen bei bedeutenden neurodegenerativen Erkrankungen bieten.

Originalveröffentlichung

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