Meilensteine der Stammzellforschung
(dpa) Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen (hES) hat ihren Ursprung im Jahr 1998: Der US-Forscher James Thomson beschrieb damals erstmals die erfolgreiche Gewinnung solcher Zellen. Er nutzte dafür übriggebliebene Embryonen von Fruchtbarkeitskliniken. Die Stammzellen galten sofort als Hoffnungsträger. Forscher wollten daraus Ersatzgewebe für Patienten mit Diabetes, Parkinson oder anderen Erkrankungen schaffen. Die Technik war aber auch von Anfang an ethisch umstritten, da dafür Embryonen zerstört werden müssen.
1998: Der US-Zellbiologe James Thomson und Kollegen aus Haifa veröffentlichten eine Studie zur Gewinnung und Kultivierung von Stammzellen aus sieben Tage alten menschlichen Embryonen (Blastozysten). Das Projekt war von einer kalifornischen Firma finanziert worden. Die verwendeten Embryonen waren für künstliche Befruchtungen geschaffen, aber nicht benötigt worden.
2005: Zwei als bahnbrechend gefeierte Stammzellstudien des südkoreanischen Klon-Spezialisten Hwang Woo Suk erweisen sich als Fälschungen. Das Fachmagazin «Science» zieht die Studien zurück. Hwang hatte verkündet, über einen Kerntransfer (Dolly-Verfahren) geklonte menschliche ES-Zellen hergestellt zu haben.
2006: Die Japaner Kazutoshi Takahashi und Shinya Yamanaka präsentieren eine Alternative, die die Forschungslandschaft verändern wird: Sie setzen Schwanzzellen von Mäusen mit Hilfe von vier Kontrollgenen in eine Art embryonalen Zustand zurück. Das Produkt nennen sie induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen).
2007: Die Gruppe um Yamanaka berichtet über entsprechende Erfolge mit menschlichen Hautzellen. Nach und nach können die Forscher auf ein Kontrollgen nach dem anderen verzichten, um die iPS-Zellen herzustellen. Damit sinkt das Krebsrisiko.
2009: Der Münsteraner Hans Schöler präsentiert iPS-Zellen von Mäusen, die mit nur einem Kontrollgen aus Nervenstammzellen gewonnen wurden. Kurz darauf stellen zwei Forscherteams iPS-Zellen vor, die keine Kontrollgene mehr enthalten - Sie waren in das Erbgut von menschlichen Hautzellen eingefügt und später wieder herausgeschnitten worden. Ein Team unter Beteiligung Schölers kommt schließlich ganz ohne Gene aus: Kontrollproteine programmierten die Hautzellen von Mäusen zurück.
2010: Erste klinische Studie einer Therapie mit humanen embryonalen Stammzellen: Die US-Biotech-Firma Geron lässt einem Querschnittgelähmten solche Zellen ins Rückenmark spritzen. Das Ziel ist zunächst nur, die Sicherheit der Methode zu prüfen. Weitere Patienten folgen, doch 2011 stoppt Geron die Versuche. Als Grund werden wirtschaftliche Erwägungen angegeben.
Einer Arbeitsgruppe um Marius Wernig von der Stanford School of Medicine gelingt die effiziente in-vitro-Umwandlung von Maus-Bindegewebszellen in Neuronen.
2011: Zwei deutschen Arbeitsgruppen - um Jürgen Hescheler aus Köln und um Karl-Ludwig Laugwitz aus München - publizieren die Generierung humaner iPS-Zellen von Patienten mit monogenetischer Erkrankung.
Patienten mit bislang unheilbaren Augenerkrankungen bekommen in den USA und Großbritannien retinale Pigmentzellen ins Auge gespritzt, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen entstanden sind.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EUGH) entscheidet, dass Verfahren, bei denen hES-Zellen genutzt werden, in der Regel nicht patentiert werden dürfen. Einzige Ausnahme: Das Verfahren hilft dem Embryo, aus dem die Zellen stammen.
2012: Stammzellinstitute in Bonn und Münster erzielen weitere Fortschritte bei der direkten Zellumwandlung: Die Gruppen um Hans Schöler und Frank Edenhofer stellen aus Maushautzellen auf direktem Weg Nervenstammzellen her. Das Team um Oliver Brüstle entwickelt ein Verfahren, mit dem menschliche Hautzellen mit Hilfe niedermolekularer Wirkstoffe praktisch 1:1 in funktionierende Nervenzellen konvertiert werden können.