Wissenschaftler fahnden nach Tumorgenen im Urin

24.01.2012 - Deutschland

Die bereits 1995 an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden begonnenen Forschungen zum Prostatakrebs stoßen mit einer auf Patienten der Klinik beschränkten Studie in neue Dimensionen vor. Die Wissenschaftler um Klinikdirektor Professor Manfred Wirth setzen ihr bereits patentiertes Know-how zur Identifizierung des Erbguts von Zellen des bösartigen Prostatakrebses ein, um ein neues Testverfahren zu entwickeln. Ziel der mehrjährigen Forschungsstudie ist es, in einer Urinprobe gleich mehrere Tumormarker auf einmal identifizieren zu können.

Mit dem neuen Test gäbe es neben der Bestimmung des PSA-Werts im Blut und der Tastuntersuchung eine dritte, den Körper nicht belastende Diagnosemethode, durch die sich bei voraussichtlich der Hälfte der Fälle eine Punktion der Prostata vermeiden lässt. Um die richtigen Testmethoden entwickeln zu können – Ziel ist die schnelle, zuverlässige und kostengünstige Untersuchung einer großen Zahl an Proben – kooperieren die Mediziner mit den Experten der Dresdner Biotype Diagnostic GmbH. Wenn sich die Erwartungen in die bis Ende dieses Jahres laufende erste Studie erfüllen, schließt sich eine größere Patientenstudie an. Sie ist Voraussetzung dafür, dass der Test zugelassen werden kann.

Seit knapp 17 Jahren sammelt das Wissenschaftlerteam um Prof. Wirth systematisch Gewebeproben urologischer Tumore. Ein Forschungsansatz, den inzwischen alle anderen mit Tumorerkrankungen befassten Kliniken des Uniklinikums verfolgen. Seit 2008 gibt es am Universitäts KrebsCentrum (UCC) eine zentrale Tumor- und Normalgewebebank für Forschungszwecke. Ziel der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Wirth war es anfangs, das spezifisch in diesen Krebszellen auftretende Erbgut zu identifizieren. Diese Arbeiten sind zum Teil von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert worden. Der bei diesen Genanalysen entstandene Aufwand und auch die benötigte Menge an Tumorgewebe waren jedoch noch nicht dazu geeignet, die Krankheit im Routinebetrieb zu diagnostizieren. Deshalb entwickelten die Forscher mittlerweile patentierte Verfahren, diese sogenannten Tumormarker im Labor zuverlässig zu identifizieren. In einem ersten Schritt ging es darum, die tumorspezifischen Gene auch dann zu entdecken, wenn nur eine geringe Zellmasse verfügbar ist. – Etwa bei hauchdünnen Gewebeschnitten, wie Pathologen sie nach einer Operation untersuchen. Denn bei einer mikroskopischen Begutachtung können sie nur solche Zellen oder Gewebe identifizieren, die krebsbedingt andere Formen und Strukturen aufweisen.

Ausgangspunkt der weiteren Forschungsarbeit war der Umstand, dass Prostatazellen in den Urin ausschwemmen – besonders nach einer Tastuntersuchung. Folglich müssten sich im Fall eines bösartigen Tumors auch deren Zellen darin finden lassen. Dem Laborteam gelang es, diese Annahme zu bestätigen. Doch der Schritt in die Routine der Krankenversorgung ist noch sehr groß: Zwar sind die Wissenschaftler des Uniklinikums auf diesem Gebiet hoch spezialisiert und verfügen über entsprechende Analyseverfahren. Auch können sie den Urin unmittelbar nach Abgabe der Probe untersuchen. Bei einem Routinetest dagegen dauert es jedoch Stunden oder Tage, bis eine solche Probe ein Speziallabor erreicht. „Urin ist ein unfreundliches Milieu für die darin befindlichen Zellen“, sagt PD Dr. Susanne Füssel, Leiterin des Forschungslabors der Klinik für Urologie: „Bleiben sie über eine längere Zeit darin, lässt sich das tumorspezifische Erbgut nicht mehr identifizieren.“

An dieser Stelle banden die Forscher um Prof. Wirth die Dresdner Biotype Diagnostic GmbH ein. Die DNA-Analytik-Spezialisten entwickelten in einem ersten Schritt ein Medium zu Stabilisierung der zu untersuchenden Zellen, damit sie auch bei einem längeren Verbleib im Urin keinen Schaden nehmen. Derzeit geht es darum, die von den Forschern der Klink entwickelten und patentierten Testverfahren für drei Tumormarker und einen Referenzmarker den Bedingungen einer automatisierten Analytik anzupassen. Im Vordergrund steht dabei die Zuverlässigkeit: Um die Chance zu bekommen, als Test neben die bereits etablierten und wissenschaftlich anerkannten Verfahren zu bestehen, muss eine entsprechende Treffsicherheit beim Nachweis von Tumorzellen erreicht und auch nachgewiesen werden.

Die aktuelle Studie, in die mehr als 200 Patienten einbezogen werden, schafft dafür wichtige Grundlagen. „Wir sind aber längst noch nicht in dem Stadium einer Zulassungsstudie“, sagt D Dr. Susanne Füssel. Deshalb steht bei den aktuellen Forschungen nicht die Früherkennung bösartiger Prostatatumore im Vordergrund. Vielmehr geht es erst einmal um grundlegende Erkenntnisse zur Praktikabilität automatisierter Analysen. Deshalb nehmen an der Studie nur Patienten der Klinik für Urologie des Uniklinikums teil, die dort aufgrund einer bestätigten Diagnose eines bösartigen Prostatatumors behandelt werden, beziehungsweise solche, die mit dem Verdacht auf einen solchen Tumor oder aufgrund einer gutartigen Vergrößerung dieser Drüse ans Klinikum überwiesen wurden. Sie geben nach einer Tastuntersuchung eine Urinprobe ab, die mit dem neuen Verfahren durch die Biotype Diagnostic GmbH analysiert wird.

Dies geschieht völlig anonymisiert, so dass die Studienteilnehmer selbst nicht informiert werden, ob der Test positiv oder negativ ausgefallen ist. Im weiteren Verlauf gleichen die Forscher die Ergebnisse mit den Gewebeuntersuchungen ab. Das dazu benötigte Probenmaterial stammt aus Biopsien, bei der an mindestens zwölf Punkten der Prostata mit Hohlnadeln Gewebe entnommen werden, oder von Präparaten, die bei einer Operation gewonnen wurden.
Nach Abschluss dieser Forschungsstudie steht dann eine weitere Studie an, deren Ziel die Zulassung des Krebstests ist. Wann die Dresdner Wissenschaftler damit beginnen können, hängt maßgeblich von den Ergebnissen des aktuellen Projekts ab.

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