Antipsychotika können die Aktivität endogener Retroviren beim Menschen verstärken

20.01.2012 - Deutschland

Die Aktivität humaner endogener Retroviren (HERVs) in Gehirnzellen von Patienten mit Schizophrenie oder bipolaren Erkrankungen kann durch die Behandlung mit antipsychotischen Medikamenten verstärkt werden. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München zeigen in PLoS ONE, dass Medikamente wie Valproinsäure wahrscheinlich über epigenetische Veränderungen im Genom die HERV Expression beeinflussen.

Die medikamentöse Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen kann die Aktivität natürlich im menschlichen Genom vorhandener humaner endogener Retroviren (HERVs) stimulieren. Das beschreibt Olivia Diem aus dem Wissenschaftler-Team um Prof. Christine Leib-Mösch vom Institut für Virologie am Helmholtz Zentrum München in einer aktuellen Publikation im Fachjournal PLoS ONE. Eine erhöhte Expression verschiedener HERV Gruppen wurde bei Schizophrenie bereits mehrfach beschrieben und mit der Erkrankung assoziiert – dass diese Stimulation teilweise durch die Medikation der Patienten verursacht werden kann, zeigt das Team des Helmholtz Zentrums erstmalig. Der Einfluss der Medikamente, den die Wissenschaftler auf epigenetische Effekte zurückführen, erstreckt sich jedoch nicht auf alle HERV Typen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Medikamente grundsätzlich auch daraufhin untersucht werden sollten, ob sie in den Zielzellen zu epigenetischen Veränderungen führen. Nicht nur endogene Retroviren, auch zelluläre Gene könnten aktiviert oder inaktiviert werden und dadurch möglicherweise schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen“, erklärt Leib-Mösch den Hintergrund der Studie.

Schizophrenie ist eine multifaktorielle neuropsychiatrische Erkrankung. Neben der genetischen Disposition könnten verschiedene Umweltfaktoren wie Infektionen während der Schwangerschaft, aber auch endogene Retroviren eine Rolle spielen. Die Identifizierung von HERVs, die Medikamenten-unabhängig bei Schizophrenie aktiviert sind, könnten daher Aufschlüsse über Ursachen und Entstehungsmechanismen der Krankheit geben. Das Verständnis der Entstehungsmechanismen von häufigen menschlichen Erkrankungen und die Ableitung neuer Angriffspunkte für Diagnose, Therapie und Prävention sind Ziele des Helmholtz Zentrums München.

Originalveröffentlichung

Olivia Diem et al. (2012): Influence of Antipsychotic Drugs on Human Endogenous Retrovirus (HERV) Transcription in Brain Cells. PLoS ONE, in press.

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