Genevolution bietet Erklärungsansatz für Entstehung von Metastasen und geistiger Behinderung

16.09.2011 - Deutschland

Durch die Untersuchung der Tumorsuppressorgene Dlg haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München einen neuen Mechanismus entschlüsselt, der die Zellpolarität von Epithelzellen im Gewebeverband oder von Neuronen im Gehirn steuert. Die in der aktuellen Ausgabe von Developmental Cell vorgestellten Erkenntnisse helfen dabei, die Entstehung von Metastasen und geistiger Behinderung besser zu verstehen und langfristig gezielt therapeutische Behandlungsansätze zu entwickeln.

Prof. Dr. Heiko Lickert

Apikale Tight Junctions (rot), an deren Stabilisierung Dlg3 beteiligt ist.

Mutationen des Tumorsuppresor-Gens Dlg lösen bei Fruchtfliegen Krebs und Metastasen aus, bei Säugetieren geistige Behinderung. Warum die Dlg Genfamilie bei Säugetieren evolutionär andere Funktionen dazu gewonnen haben, fanden die Wissenschaftler um Prof. Dr. Heiko Lickert vom Institut für Stammzellforschung des Helmholtz Zentrums München in Zusammenarbeit mit Kollegen der Abteilung für Proteinanalytik und des Instituts für Toxikologie nun heraus.

Fruchtfliegen haben eine Kopie des Dlg-Gens, das die Zellproliferation und die basolaterale Zellpolarität mitsteuert. Säugetiere haben vier Kopien des Dlg-Gens, die sich unterschiedlich entwickelt haben. Dlg3 hat durch diese Veränderungen eine neue Funktion erhalten. Es richtet die Zellen apikal aus und stabilisiert als Gerüstprotein Tight Junctions. Zu dieser neuen Funktion haben geringfügige Veränderungen in der Abfolge der Aminosäuren des vom Dlg3-Gen produzierten Proteins geführt. Sie ermöglichen die Wechselwirkung mit anderen Proteinen und dadurch, die Ausrichtung der apikalen Seite der Zelle festzulegen und aufrecht zu erhalten.

Dieser Funktionsgewinn des Säugetier-Dlg3 könnte im Fall einer Mutation zu einer veränderten Gewebestruktur des Spemann-Mangold-Organisator führen, der für die neurale Induktion und normale Gehirnbildung entscheidend ist. Andere Studien hatten gezeigt, dass Mutationen im menschlichen Dlg3 mit geistiger Behinderung einhergehen. Die Wissenschaftler könnten also die Krankheitsursache entdeckt haben, die auch beim Menschen entscheidend ist und die sie als Angriffspunkt für neue Therapien und Wirkstoffe nutzen können. Folgestudien sollen den Mechanismus detaillierter beleuchten, denn „je mehr wir über die Mechanismen wissen, die zum Verlust der Zellpolarität und zur Metastasenbildung oder geistigen Behinderung führen, desto besser lassen sich neue Therapie- und Wirkstoffansätze entwickeln“, so Lickert

Originalveröffentlichung

C Van Campenhout et al.(2011) Dlg3 trafficking and apical tight junction formation is regulated by Nedd4 and Nedd4-2 E3ubiquitin ligases, Developmental Cell, Volume 21, Issue 3, 479-49

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