Biologische Uhr ändert sich: Vom pubertären Nachtschwärmer zum senilen Bettflüchter
Biologische Uhren kontrollieren eine Vielzahl tagesrhythmischer Prozesse wie Schlaf, Körpertemperatur, Blutdruck, Hormonausschüttung und Verdauung. Diese Aktivitäten werden von einer im Gehirn liegenden zentralen Uhr (zirkadianen Schrittmachern im Nucleus suprachiasmaticus) gesteuert. Diese wird durch das Licht, das durch die Augen einfällt, synchronisiert und kommuniziert mit anderen Uhren, den sogenannten «Sklaven-Uhren», die in den meisten Zellen unseres Körpers vorkommen. Diese Zellen stellen die für die zirkadiane Rhythmik (den inneren Rhythmus, die innere Uhr) wichtigen Uhren-Gene dar. Die Uhren-Gene und die von ihnen codierten Proteine wirken in einer komplexen negativen Rückkopplungsschleife zusammen und sie generieren zelluläre molekulare Rhythmen. Ein zirkadianer Rhythmus besitzt eine Periodenlänge von rund 24 Stunden. Die Periodenlänge der inneren Uhr hängt von der genetischen Ausstattung ab. Zudem ist es möglich, Organismen zu züchten, die aufgrund unterschiedlicher Mutationen in Uhren-Genen eine interne Uhr mit längerer oder kürzerer Periodenlänge haben.
Lerche und Eule
Bei Menschen können zwei Hauptkategorien von Chronotypen unterschieden werden: Der Lerchentyp ist frühmorgens frisch und munter, der Eulentyp blüht viel später auf. Interessanterweise verändert sich mit zunehmendem Alter der Chronotypus und die Periodenlänge der inneren Uhr nimmt ab. Ungefähr ab dem 20. Lebensjahr, nachdem während der Pubertät die innere Uhr auf nachtaktiv gepolt war, erfährt sie einen Wendepunkt, indem sie sich dann nach und nach Richtung früher verschiebt bis wir – im Alter – an seniler Bettflucht leiden.
Warum tritt dieses Phänomen im Alter auf und was sind die Ursachen? Dieser Fragestellung sind Forschende der Universität Basel um Prof. Dr. Anne Eckert, Prof. Dr. Christian Cajochen und Prof. Dr. Anna Wirz-Justice in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Steven Brown (Universität Zürich) in einer Studie nachgegangen, die zum Ziel hatte, die molekularen Mechanismen dieser altersabhängigen chronobiologischen Veränderung zu untersuchen. Aufgrund der Tatsache, dass eine zirkadiane Uhr in den meisten unserer Zellen, also auch in peripheren Zellen existiert, wurde eine neue von Brown entwickelte Untersuchungsmethode genutzt, nämlich die Gewinnung und Kultivierung peripherer Zellen einzelner Versuchspersonen, um die molekularen genetischen Eigenschaften der individuellen Uhren bestimmen zu können.
Im Rahmen der Studie wurde 18 jungen (21–30 Jahre) und 18 älteren Versuchspersonen (60–88 Jahre) eine winzige Hautbiopsie entnommen. Die gewonnenen humanen Primärkultursysteme (Hautfibroblasten) wurden mit einem Gen der Feuerfliege so modifiziert, dass sie Licht (Biolumineszenz) emittieren. Da die Expression des Feuerfliegengens von einem Uhren-Gen (Bmal-1) kontrolliert wird, kann somit dessen zirkadiane Aktivität visualisiert werden. Die individuellen rhythmischen Expressionsmuster der Fibroblastenkulturen von jungen und älteren Spendern wurden über 5 Tage erfasst. Somit war es möglich, individuelle zirkadiane Perioden am Menschen ex vivo/in vitro zu analysieren. Die Forscher fanden heraus, dass im Gegensatz zu den gut dokumentierten altersabhängigen Änderungen im Schlafverhalten, die zirkadiane Periodenlänge in Fibroblasten von jungen und älteren Spendern in vitro nicht verändert war. Interessanterweise änderte sich dieses Verhalten jedoch, wenn die gleichen Zellen – egal ob «jung oder «alt» – mit humanem Serum, das von älteren Personen stammte, statt mit Standardserum (FSC) behandelt wurden. In Analogie zu den in-vivo-Daten reagierten die Zellen mit einer Verkürzung ihrer Periodenlänge. Die Verkürzung trat jedoch nicht auf, wenn Serum von jungen Kontrollpersonen verwendet wurde.
Die Studiendaten zeigten erstmalig, dass das Zusammenspiel der molekularen Komponenten der inneren Uhr im Alter nicht per se verändert ist. Die Studienmacher/innen vermuten, dass zirkulierende thermolabile Faktoren für die Modulation der zirkadianen Rhythmik im Alter verantwortlich sind. Diese sind hormonellen Ursprungs und könnten durch pharmakologische Interventionen behandelbar sein.