Hepatitis C am Scheideweg: Forscher am TWINCORE suchen einen Weg zu neuen Forschungsmodellen für HCV
Anne Frentzen / TWINCORE
Das Problem: Sie können bislang nur in Zellkulturen aus menschlichen Zellen forschen. Zellkulturen zeigen jedoch nicht, wie das Immunsystem auf das HCV reagiert, wie es eine Infektion kontrolliert oder wie wirksam Impfstoffe sind. Für solche Untersuchungen sind geeignete Tiermodelle von entscheidender Bedeutung. Gesucht: Mäuse, die sich mit HCV infizieren lassen und ein intaktes Immunsystem haben. Damit hätten Immunologen und Impfstoffforscher in Zukunft die Chance, das Virus im lebenden Organismus zu untersuchen – und könnten dann die nächsten Schritte gegen diese Krankheit unternehmen.
Am TWINCORE untersuchen Wissenschaftler weshalb sich HCV nicht in Mausleberzellen vermehren kann. Gibt es es in Mäusen Faktoren, die eine Infektion und Vermehrung von HCV verhindern? Oder scheitert das Virus daran, dass es in Mauszellen einfach nicht die geeigneten „Helfer“ findet, die in Menschen und Schimpansen die Infektion ermöglichen? „Die zentrale Frage ist, weshalb sich das Virus weder in Mauszellen noch in anderen Spezies vermehren kann“, sagt Anne Frentzen, Wissenschaftlerin aus der Abteilung Experimentelle Virologie am TWINCORE. „Können wir diese Frage beantworten, kommen wir der Entwicklung eines Mausmodells einen großen Schritt näher.“ Immerhin ist inzwischen bekannt, weshalb HCV nicht in Mauszellen eindringen kann. Doch selbst wenn das Virus diese Barriere überwindet, ist spätestens hier Endstation für das HCV.
Diese Unverträglichkeit von HCV und Maus kann zwei Gründe haben: Entweder ist das Virus so gut auf Mensch und Schimpanse eingestellt, dass es in den Mauszellen einfach nicht findet, was es zur Vermehrung benötigt. Oder die Abwehrmechanismen der Mäusezellen sind so gut, dass das Virus nicht dagegen ankommt. „Wir befinden uns bei der Annäherung von HCV und Maus an einem Scheideweg“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Professor Thomas Pietschmann. „Wir müssen entscheiden, ob wir entweder die Mäusezellen um die fehlenden menschlichen Anteile erweitern oder den Mäusezellen die Abwehrmechanismen nehmen müssen.“
Um diese Frage zu lösen, hat Anne Frentzen Maus- und Menschenzellen miteinander fusioniert. Die Idee: Wenn sich das Virus in diesen Mischzellen vermehren kann, können die Abwehrmechanismen der Mäusezellen nicht so dominant sein. Dann könnten die Wissenschaftler Mäuse genetisch um die entscheidenden menschlichen Faktoren erweitern und HCV wäre sozusagen mausfähig. Damit stünden der Forschung ganz neue Wege offen, um HCV zu erforschen – und Therapien und Impfstrategien gegen das Virus zu entwickeln.
„Um diesen entscheidenden Schritt zu gehen, haben wir zwei Sorten Zellen generiert“, sagt Anne Frentzen. „Mauszellen, in die wir eine Hälfte der Virusgene eingebaut haben und menschliche Zellen, die die andere Hälfte des Virus enthalten.“ Für sich allein kann weder die eine noch die andere Zelle Viren herstellen, da jeweils entscheidende virale Bausteine fehlen. Diese Zellen hat sie gemeinsam mit einer Chemikalie versetzt, die dafür sorgt, dass die Zellen sich wahllos miteinander verbinden. Jedoch nur in den Mensch-Maus Kombinationen können sich aus den zwei Virushälften die HC-Viren bilden. Das Ergebnis: Die Mischzellen geben Viren ab. Also gibt es keine so starken Abwehrmechanismen in Mauszellen, die verhindern, dass sich das Virus in den Hybriden vermehren kann. „Mit diesem Ergebnis haben wir die Hoffnung, dass sich Mäuse in Zukunft – wenn es gelingt die entscheidenden menschlichen Faktoren in die Mauszellen zu bringen – mit HCV infizieren lassen“, sagt Thomas Pietschmann. „Ein solches Kleintiermodell würde sicherlich die Entwicklung von Impfstrategien, die eine Ansteckung mit HCV verhindern, beflügeln.“