Zukunftsvision: Ein Herz, das nachwächst

Wissenschaftler der Universitätsklinik für Herzchirurgie Heidelberg nehmen selbst konzipierten Bioreaktor in Betrieb

06.04.2011 - Deutschland

Aus patienteneigenen Zellen ein neues und funktionsfähiges Herz heranwachsen zu lassen, das ist das Ziel eines Wissenschaftlerteams der Universitätsklinik für Herzchirurgie Heidelberg. Erstmals sind dazu nun die technischen Voraussetzungen erfüllt: Im Februar 2011 hat die Gruppe um Dr. Alexander Weymann und Dr. Bastian Schmack einen neuartigen Bioreaktor in Betrieb genommen, der groß genug ist und optimale Wachstumsbedingungen für das neue Organ bietet. Das Gerät haben die Forscher selbst konzipiert.

Die Zahl schwer herzkranker Menschen, denen nur eine Transplantation das Leben retten kann, steigt stetig. Doch es gibt bei weitem nicht genug Spenderherzen: Im Jahr 2010 wurden laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation 377 Herz- und 16 kombinierte Herz-Lungen-Transplantationen durchgeführt, gleichzeitig aber fast doppelt so viele Menschen neu auf die Warteliste für ein Spenderherz gesetzt. „Es ist nötig, neue und vor allem innovative Strategien für die Behandlung dieser Patienten zu entwickeln, um möglichst unabhängig von Spenderorganen zu werden“, erklärt Dr. Weymann, der 2009 von der Charité Berlin ans Universitätsklinikum Heidelberg wechselte und dort die Arbeitsgruppe „Whole Heart Tissue Engineering" gründete.

Patienteneigene Zellen siedeln sich auf Fasergerüst an

Die Idee: Das Herz eines Schweins, das dem menschlichen Herzen in Aufbau und Größe sehr ähnlich ist, wird im Labor von sämtlichen Zellen befreit – nach einem Verfahren, das die Gruppe selbst entwickelt hat. Dadurch können später beim Patienten keine Abstoßungsreaktionen mehr auftreten. Übrig bleibt ein kollagenhaltiges Fasergerüst, das in einer speziellen Kultivierungskammer, dem Bioreaktor, von patienteneigenen Zellen durchspült und von diesen neu besiedelt werden soll. Erfolge zeigte dieses Verfahren bereits bei der Züchtung neuer Herzklappen. „In den USA ist es auf diese Weise gelungen, funktionsfähige Rattenherzen zu züchten. Mit größeren Herzen hat es bisher noch nicht geklappt“, sagt Weymann.

Voraussetzung ist ein Bioreaktor in entsprechender Größe: Bisher verfügbare Modelle sind für die Forschung an Kleintieren und die Züchtung von Herzklappen konzipiert. Der Herzchirurg suchte daher nach Kooperationspartnern in der Industrie; 2010 erhielt er den Zuschlag von der Göttinger Firma Sartorius Stedim Biotech, die das Gerät umsetzte. In dem transparenten Reaktor herrschen gleiche Bedingungen wie im menschlichen Körper. So wird z.B. die Nährflüssigkeit mit den Patientenzellen stoßweise, wie beim schlagenden Herzen, durch das neu entstehende Organ gepumpt. Alle Einstellungen sind über das Internet steuerbar.

„Forschung steht noch ganz am Anfang“

Noch ist es bis zum maßgeschneiderten Ersatzherz allerdings ein weiter Weg, der noch viele Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Ein funktionsfähiges Herz besteht aus mehreren Zelltypen, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen und eng miteinander vernetzt sind. „Die Forschung auf diesem Gebiet steht noch ganz am Anfang. Wir wissen z.B. noch nicht, welche Faktoren während dieses hochkomplexen Vorgangs die Zellen an den richtigen Platz im Gewebeverband lotsen oder das Herz zum Schlagen bringen“, so Weymann.

Diese Fragen will die Arbeits­gruppe – Teil des Forschungsteams „Experimentelle Herzchirurgie“ unter der Leitung des geschäftsführenden Oberarztes Professor Dr. Gábor Szabó – nun klären. In den ersten Versuchen kommen Herzzellen von neugeborenen Ratten zum Einsatz; in Zukunft könnten Stamm­zellen aus dem Nabelschnurblut, direkt bei der Geburt tiefgefroren und eingelagert, den schwerkranken Patienten zu einem neuen Herz verhelfen.

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