Prostatakrebs - die zwiespältige Rolle des Immunsystems

Oncotyrol-Wissenschaftler suchen nach Antikörpern zum Aufspüren von Krebs und erforschen die Rolle von Entzündungen

02.12.2010 - Österreich

Das Immunsystem ist die wichtigste Waffe unseres Körpers im Kampf gegen Krebs. Je besser das Abwehrarsenal des Körpers den „Feind im eigenen Hause“ bekämpft, umso weniger Chancen hat der Tumor. Zu viel des Guten kann allerdings auch schaden: Führt die Immunantwort zu chronischen Entzündungen, fördern diese wiederum die Krebsentstehung.

Oncotyrol-Wissenschaftler um Prof. Helmut Klocker erforschen die zwiespältige Rolle des Immunsystems bei der Entstehung von Prostatakrebs. Sie suchen gemeinsam mit dem Firmenpartner Protagen nach Auto-Antikörpern, um Prostatakrebs früher und genauer zu erkennen als bisher. Ergänzend analysieren die Innsbrucker Forscher Gewebeproben, um dort Immun- und Entzündungsreaktionen nachzuweisen. Dabei arbeiten sie mit dem Firmenpartner TissueGnostics zusammen. Das Projekt, das nun in den neuen Laborgebäuden von Oncotyrol durchgeführt wird, hat zum Ziel, Serum- und Gewebeanalyse zu verbinden.

Antikörper gegen körpereigene Strukturen

80% aller im Serum vorhandenen Immunglobuline sind Autoantikörper, also Antikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen richten. Nur 20% sind Antikörper gegen körperfremde Substanzen wie z.B. Krankheitserreger. Diese im gesunden Menschen vorkommenden Autoantikörper sind gewissermaßen Werkzeuge für Abbau- und Aufbauprozesse im Körper. Beispielsweise, wenn man vom Fahrrad fällt und sich das Knie aufschlägt, muss beschädigtes Gewebe abgebaut werden. Dazu ist das schon fertige Set an Autoantikörpern wichtig, um den Fresszellen beim Gewebe-Abbau zu helfen. Auch Krebserkrankungen führen zum Zelltod und damit zur Bildung von Autoantikörpern, unter anderem weil durch das Tumorwachstum Gewebe zerstört wird und abstirbt. Diese für Prostatakrebs spezifischen Autoantikörper werden im Oncotyrol-Projekt mit der Tech-nologie von Protagen aufgespürt werden. So eine Signatur von 10-100 spezifischen Autoan-tikörpern bildet ein Muster, das die "gesunde" Autoimmunität von der krebsspezifischen unterscheidet. Das Projekt ist bereits so weit fortgeschritten, dass die Ergebnisse nun in einer multizentrischen Studie untersucht werden.

Die Technologie von TissueGnostics spielt bei der Überprüfung eine wichtige Rolle. Die Wissenschaftler vermuten, dass zwischen dem Aufbau von Autoantikörpern im Serum und den Immunreaktionen des Gewebes eine Verbindung besteht. Diese wollen sie nachweisen, indem Immunzellen in Gewebeproben von Krebspatienten charakterisiert und gleichzeitig Autoantikörper im Serum gemessen werden. Wenn im Zuge einer Prostatakrebsoperation Gewebe entfernt wird, kann man in manchen dieser Proben eine massive Einwanderung von Immunzellen nachweisen – das Gewebe ist entzündet. Bei anderen ist dies nicht der Fall. Die Oncotyrol-Wissenschaftler vermuten, dass die Entzündungsreaktionen schädlich sind und die Tumorzellen stimulieren. Es ist daher wichtig, die Verbindung zwischen Autoantikörpern und Entzündungen zu verstehen. Dann könnte man durch eine einfache Serumanalyse bereits frühzeitig Entzündungsreaktionen im Prostatabereich feststellen. Das könnte im Sinne einer Präventionsstrategie oder für die Entwicklung einer Immuntherapie wichtig sein.

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