Forscher: Blinder kann durch Netzhautchip lesen

Apfel, Löffel, Tasse: Miikka kann diese Gegenstände unterscheiden, ohne sie zu berühren. Tübinger Forscher haben damit das scheinbar Unmögliche möglich gemacht - denn Miikka ist blind.

04.11.2010 - Deutschland

(dpa) Blinde wieder sehen lassen - diesem Ziel sind Forscher jetzt ein Stück näher gekommen. Die Wissenschaftler um Prof. Eberhart Zrenner von der Universität Tübingen pflanzten in ihrer Pilotstudie drei Blinden einen Netzhautchip ein. Mit Hilfe des Chips konnten die Teilnehmer diverse Sehaufgaben erfüllen, etwa verschiedene Gegenstände auf einem Tisch lokalisieren.

Vor allem ein Patient - Miikka - zeigte demnach in den Sehtests erstaunliche Ergebnisse. Er konnte nicht nur Gegenstände wie Löffel, Gabel, Tasse und eine Banane orten und beschreiben - es gelang ihm auch 16 verschiedene Buchstaben voneinander zu unterscheiden. Als die Forscher ihm die weißen Lettern «M-I-K-A» auf einen schwarzen Tisch legten, wies er sie darauf hin, dass sein Name falsch geschrieben worden sei. Miikka war als Einzigem der Chip direkt unter den Gelben Fleck implantiert worden, den Ort des schärfsten Sehens im Auge.

Der von den Forschern entwickelte Chip ist nur drei Mal drei Millimeter klein und hauchdünn. Er wird direkt unter die Netzhaut gesetzt. Wenn Licht auf die 1500 Photodioden des Chips fällt, wird dies über einen Verstärker an die Nervenzellen der Netzhaut geleitet. Im Anschluss werden die Signale zum Sehzentrum geschickt.

Der Netzhaut-Chip ist somit nur für Menschen geeignet, die früher schon einmal sehen konnten - denn die Verarbeitung der Bildinformationen im Gehirn muss bereits gelernt worden sein.

Die Studienergebnisse könnten den Forschern zufolge dabei helfen, den erblich bedingten Netzhautrückgang (Retinitis pigmentosa) zu heilen. Nach Angaben des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands leiden hierzulande 30.000 bis 40.000 Menschen an einer Retinitis pigmentosa. «Davon könnte den fortgeschrittenen Fällen eine gewisse Sehleistung wieder gegeben werden», so die Forscher.

Studienleiter Zrenner ist Gründer einer Firma für Sehprothesen und Leiter des Forschungsinstituts für Augenheilkunde an der Universität Tübingen. Der Chip soll nach der Beendigung der Hauptstudie mit 25 Patienten marktreif sein. Wie teuer er dann sein wird, ist den Wissenschaftlern zufolge noch unklar.

Originalveröffentlichung: Eberhart Zrenner et al.; "Subretinal electronic chips allow blind patients to read letters and combine them to words"; Proceedings of the Royal Society B, Published online before print November 3, 2010

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