Eine neue Behandlungsstrategie bei Morbus Crohn setzt zu Beginn der Erkrankung hochwirksame und teure Medikamente ein. Diese unterdrücken das Immunsystem und vermeiden weitere Krankheitsschübe. Kritiker sehen die Strategie jedoch als häufig unnötig an. Welche neuen Erkenntnisse aus der Forschung die Behandlung zukünftig verbessern könnten und welche chirurgischen Techniken soviel Darm wie möglich retten, sind Themen der Viszeralmedizin 2010. Gastroenterologen und Viszeralchirurgen veranstalten den interdisziplinären Kongress gemeinsam vom 15. bis 18. September 2010 im ICS Stuttgart. Menschen mit Morbus Crohn leiden an einer chronischen Entzündung im Darm, die in Schüben verläuft. Jeder davon kann neue Schäden im Darm und benachbarten Regionen anrichten. Um solche Krankheitsschübe zu verhindern, verfolgen Ärzte bisher eine sogenannte „Step up“-Strategie. Sie beginnen mit relativ kostengünstigen Medikamenten wie Aminosalizylaten. Nur wenn diese erfolglos bleiben, kommen stärkere Mittel wie Azathioprin zum Einsatz, die das Abwehrsystem dämpfen. Dies gelingt am besten mit Antikörpern, die gezielt in die Entzündungsreaktion eingreifen, indem sie den Tumornekrosefaktor (TNF) binden und ausschalten. Eine neue Strategie, auch „Top down“-Strategie genannt, setzt diese TNF-Antikörper gleich zu Beginn der Behandlung ein. In einer kürzlich veröffentlichten Studie (NEJM 2010; 362: 1383-95) war diese Therapie Azathioprin leicht überlegen, am wirksamsten war die Kombination von Azathioprin mit dem TNF-Antikörper. Dennoch ist der Ansatz umstritten. „Die „Top down“-Strategie verteuert nicht nur die Therapie, etwa um den Faktor 40“, kritisiert Professor Dr. med. Eduard Stange, Chefarzt am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Sie habe auch zur Folge, dass viele Patienten unnötig behandelt werden: Bei einem von sieben Erkrankten hat das Medikament besser gewirkt als Azathioprin. Ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen durch das Medikament hatten jedoch alle. Unnötig seien TNF-Antikörper außerdem, wenn eine Darmspiegelung zeige, dass in der Schleimhaut keine entzündlichen Läsionen mehr vorhanden sind. In der Studie zur „Top-down”-Therapie war dies bei etwa 20 Prozent der Teilnehmer der Fall. Nachdem sich die Schleimhaut komplett erholt hat, ist die Gefahr eines erneuten Krankheitsschubs deutlich vermindert, berichtet Professor Stange. Deren Heilung sollte deshalb wichtigstes Therapieziel sein. Dies ist bisher schwierig, da die genauen Ursachen von Morbus Crohn nicht bekannt sind. Experten vermuten, dass ein Barrieredefekt in der Darmschleimhaut an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist. Eine weitere Studie zeigt eine Abnahme der Krankheitsrückfälle durch Vitamin D3 von 29 auf 13 Prozent. Dieses regt den Darm an, Defensine zu bilden. Defensine sind darmeigene Antibiotika, die verhindern, dass Bakterien in die Darmschleimhaut eindringen und ihre Barrierefunktion zerstören.