Das Dilemma der Pflanzen bei der Abwehr von Feinden
Evolutionsbiologische Zwickmühle: Pflanzen, die widerstandsfähiger gegen Krankheiten sind, wachsen langsamer und sind in der Abwesenheit von Feinden weniger konkurrenzfähig
Pflanzen haben im Laufe der Evolution zahlreiche Wege entwickelt, um sich gegen Feinde zu wehren. Einige produzieren übelriechende oder -schmeckende Stoffe, andere entwickeln Stacheln oder haben eine besonders effektive Immunabwehr gegen Viren und Bakterien. Bei einem genügend hohen Selektionsdruck wäre zu erwarten, dass immer nur diejenigen Individuen überleben, die sich am besten wehren können. In der Folge sollten die Erreger einen schweren Stand haben. Das ist aber nicht der Fall; tatsächlich unterscheiden sich die Abwehrkräfte einzelner Pflanzen sehr, und zwar sowohl von Art zu Art als auch innerhalb einer Art.
Eine Erklärung für diese Variation liegt in den unterschiedlichen Angriffsstrategien der Krankheitserreger und Fraßfeinde. Sie machen es der Pflanze schwer, sich gleichzeitig gegen jeden möglichen Feind zu verteidigen. Zum anderen vermutet man schon lange, dass besonders effiziente Abwehrmechanismen mit einem hohen Aufwand und dadurch mit erheblichen Kosten für die Pflanze verbunden sind. Diese Investition lohnt sich deshalb nur in Jahren oder an Standorten, in beziehungsweise an denen die Feinde tatsächlich auftreten. Wie hoch die Kosten dafür ausfallen, war bislang jedoch unklar.
Gen-Variante gegen Krankheitserreger
Wissenschaftler in der Gruppe von Detlef Weigel am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie haben nun eine Variante des ACD6 Gens dingfest gemacht, das eine Universalwaffe im Abwehrkampf gegen Pflanzenschädlinge darstellt: Es bewirkt, dass die Pflanzen in erhöhter Konzentration Chemikalien bilden, die entweder direkt für Krankheitserreger giftig sind oder die als Signalstoffe für die Immunantwort dienen. Die Ackerschmalwand ist damit in der Lage, nicht nur Bakterien und Pilze abzuwehren, sondern auch Insekten, wie zum Beispiel Blattläuse. Jedoch besitzt längst nicht jede Sorte der Ackerschmalwand diese Genvariante: Sie ist zwar an allen Standorten zu finden, an denen die Ackerschmalwand wächst - von Nordafrika bis Skandinavien, und von Zentralasien bis Westeuropa - aber immer nur in etwa zwanzig Prozent der Individuen. Dies deutet bereits darauf hin, dass die Genvariante auch nachteilige Eigenschaften hat.
"Wir konnten zeigen, dass das Gen die Pflanzen zwar resistent gegen verschiedene Krankheitserreger macht, aber gleichzeitig das Blattwachstum stark beeinträchtigt, so dass die Pflanzen weniger Blätter bilden und insgesamt wesentlich kleiner bleiben", sagt Detlef Weigel. Sobald Feinde auftauchen, sind die Pflanzen ihren Artgenossen gegenüber im Vorteil. An Standorten oder in den Jahren, in denen es wenige Feinde gibt, sind sie aber im Nachteil. Denn die geringere Blattmasse verringert die Samenproduktion und führt somit zu einer geringeren Anzahl an Nachkommen. Das Fazit von Weigel: "Auch in der Natur gilt: Nichts ist umsonst!"
Originalveröffentlichung: M. Todesco et al.; "Natural allelic variation underlying a major fitness tradeoff in Arabidopsis thaliana"; Nature, 3. Juni 2010