Wasserscheue Proteine schwächen Schutz gegen Krebs
Spezielle Mutationen in wichtigen Schutzproteinen führen dazu, dass die Proteine länger und damit schneller abgebaut werden
Geschwächte Proteine begünstigen Tumorwachstum
Proteine sind wichtige Bausteine in unseren Zellen und werden entsprechend dem Bauplan in unserem Erbgut als Molekülkette hergestellt. Den Abschluss eines solchen Bauplans bildet normalerweise ein Stoppsignal, das die Aneinanderreihung von Proteinbausteinen beendet. Bei einer Nonstop-Mutation geht dieses Stoppsignal verloren, sodass das Protein länger als nötig wird.
Das Forschungsteam um Diederichs analysierte nun in einem Hochdurchsatz-Screening 2.335 Fälle, bei denen diese Nonstop-Mutationen in verschiedenen Krebsarten auftraten. Mithilfe einer Technik namens „Durchflusszytometrie“ maßen sie, wie hoch die Konzentration der überlangen Proteine in den Zellen war. Es stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte dieser Proteine abgebaut wurde, bevor sie ihre Aufgabe erfüllen konnten.
„Wir konnten zeigen, dass die Proteine, bei denen die Verlängerung sie wasserabweisender macht, man könnte auch sagen wasserscheu, in der wässrigen Umgebung der Zelle instabiler sind. In der Folge werden sie schnell vom Reinigungssystem der Zelle entsorgt. So können sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen“, erklärt Diederichs.
Besonders betroffen waren sogenannte Tumorsuppressor-Gene und die daraus entstehenden Proteine. Diese verhindern normalerweise das Wachstum von Tumoren. „Diese Proteine sind wie die Sicherheitsbremsen in unseren Zellen. Sie sorgen dafür, dass Zellen sich nur dann teilen, wenn es nötig ist, und stoppen das Wachstum, wenn etwas schiefgeht. Wenn diese Proteine nicht richtig funktionieren, kann es passieren, dass Zellen unkontrolliert wachsen und sich zu Tumoren entwickeln“, sagt Diederichs.
Im nächsten Schritt wollen die Freiburger Forscher*innen die Mechanismen hinter den bislang weitgehend übersehenen Mutationen weiter untersuchen. „Wir wollen einerseits noch detaillierter verstehen, wie sich die einzelnen Mutationen auswirken. Andererseits möchten wir testen, ob das gezielte Stabilisieren der betroffenen Proteine eine Basis für neue Therapieansätze sein könnten“, hofft Diederichs.
Originalveröffentlichung
Avantika Ghosh, Marisa Riester, Jagriti Pal, Kadri-Ann Lainde, Carla Tangermann, Angela Wanninger, Ursula K. Dueren, Sonam Dhamija, Sven Diederichs; "Suppressive cancer nonstop extension mutations increase C-terminal hydrophobicity and disrupt evolutionarily conserved amino acid patterns"; Nature Communications, Volume 15, 2024-10-25