Hohensteiner Forscher erzielen Fortschritt bei der Biotoleranz textiler Implantate

Stammzellen regen Gefäßneubildung an und sorgen so für optimiertes Einwachsen von Textilimplantaten

12.05.2010 - Deutschland

In der Regenerationsmedizin spielt die Verträglichkeit eines textilen Implantats im Körper - die so genannte Biotoleranz - eine wichtige Rolle. Textilimplantate werden jedoch nicht immer vom Körper toleriert. Selbst moderne Implantate aus resorbierbaren Biopolymeren, wie z. B. Polymilchsäure, bauen sich zwar nach einer gewissen Zeit im Körper ab, doch zerfallen sie in saure Einzelbestandteile. Sie sorgen rund um den Implantationsort mitunter für erhebliche Probleme, die von Entzündungen bis hin zu Abstoßungsreaktionen reichen können. Ein deshalb für die Biotoleranz von Implantaten entscheidender Faktor ist die schnelle Neubildung von Blutgefäßen am Implantationsort (die so genannte Angiogenese). Neue Kapillaren sorgen dafür, dass die sauren Zerfallsprodukte bioresorbierbarer Textilimplantate rasch abtransportiert werden können. Zugleich gewährleistet die neue Blutversorgung, dass auch die am Gewebeaufbau beteiligten Zellen ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden und das Implantat einwächst, ohne als Fremdkörper abgekapselt zu werden.

Mit der Frage, wie sich die Gefäßneubildung gezielt an textilen Implantaten anregen lässt, beschäftigt sich das Institut für Hygiene und Biotechnologie (IHB) an den Hohenstein Instituten bereits seit Langem. Erst kürzlich konnte das von Prof. Dr. Dirk Höfer geleitete Forscherteam aus Medizinern und Humanbiologen zeigen, dass sich speziell modifizierte Textilfasern auch als Träger für humane adulte Stammzellen eignen, auf Basis derer sich neues, gesundes Gewebe entwickeln kann.

Nun ist den Hohensteiner Wissenschaftlern auch im Hinblick auf die Verträglichkeit von Implantaten ein Kardinalexperiment gelungen: Mit Stammzellen besiedelte Textilien wurden auf die mit Gefäßen durchzogene Membran eines Hühnereis gegeben. Bei diesem Versuch handelt es sich um eine tierversuchsfreie Ersatzmethode, das so genannte Chorion-Allantois-Membran (CAM)-Modell. Der Gefäßreichtum der CAM und die fehlende Immunkompetenz ermöglichen optimale Untersuchungen an einem funktionalen Kreislaufsystem. Ziel der Hohensteiner Wissenschaftler war es, dass das Implantat selbst die nötigen Wachstumsfaktoren ausschüttet, welche die Neubildung von Blutgefäßen anregen. Diese Aufgabe sollten die Stammzellen übernehmen. Zunächst beschichteten die Forscher die Fasern der Textilimplantate mit spezifischen Adhäsionsmolekülen und besiedelten diese anschließend mit humanen adulten Stammzellen, von denen bekannt ist, dass sie Wachstumsfaktoren zur Anregung neuer Gefäße absondern. Um das Schicksal der eingesetzten Stammzellen auf den Fasern exakt verfolgen zu können, wurden die Alleskönner zuvor gentechnisch modifiziert, so dass sie einen roten Fluoreszenzfarbstoff produzieren, der es erlaubt, die Integration der Stammzellen ins umliegende Gewebe visuell zu verfolgen.

In mehreren Versuchsreihen konnten die Forscher auf diese Weise eine gerichtete Gefäßeinsprossung in das textile Implantat hinein beobachten, sowohl makro-, als auch mikroskopisch. Neue Blutgefäße wuchsen in das Implantat und bildeten dort ein funktionelles kapillares Netzwerk. Wurden die Textilien mit Bindegewebszellen besiedelt die keine Wachstumsfaktoren ausschütten, blieb die Gefäßeinsprossung hingegen aus.

Die neuen Forschungsergebnisse des Instituts für Hygiene und Biotechnologie lassen sich künftig dazu nutzen, mit Hilfe von patienteneigenen Stammzellen biologisierte Textilimplantate (wie beispielsweise Herniennetze) schneller und ohne Abstoßungsreaktionen in das Gewebe des Patienten zu integrieren und somit zerstörtes Körpergewebe erfolgreich zu regenerieren. Das in Hohenstein angewandte System ermöglicht es darüber hinaus, zahlreiche weitere Aspekte der Durchblutung textiler Implantate zu beleuchten und diese routinemäßig für den medizinischen Einsatz zu optimieren. Dies stellt einen wichtigen Meilenstein für die Weiterentwicklung der textilen Regenerationsmedizin dar. Die Hohensteiner Forscher beabsichtigen, die Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Fachjournal zu veröffentlichen.

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