Wie eine Diät die Darmflora beeinflusst
Krankenhauskeim spielt wichtige Rolle bei der Gewichtsregulation
© CDC | Janice Carr
Die Trillionen von Mikroorganismen des Magen-Darm-Trakts, die auch als Mikrobiom oder Darmflora bezeichnet werden, unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Bei übergewichtigen und adipösen Personen etwa ist das Mikrobiom anders zusammengesetzt als bei normalgewichtigen. Viele Menschen versuchen im Laufe ihres Lebens durch eine Diät Gewicht zu verlieren. Was aber bewirkt solch eine drastische Umstellung der Ernährung genau im Körper? Dieser Frage ist nun ein von der Charité koordiniertes internationales Forschungsteam nachgegangen. „Wir konnten erstmals zeigen, wie eine Diät mit sehr niedrigem Kaloriengehalt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm tiefgreifend verändert und so den Energiehaushalt des menschlichen Wirtes nachhaltig beeinflusst“, sagt Prof. Dr. Joachim Spranger, Direktor der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité, der einer der leitenden Autoren der Studie ist.
Die Auswirkungen einer Diät untersuchte das Team bei 80 älteren Frauen mit leichtem bis starkem Übergewicht, die entweder durch eine sogenannte Formuladiät – mithilfe von Fertiggetränken mit weniger als 800 Kilokalorien pro Tag – unter ärztlicher Aufsicht abnahmen oder ihr Gewicht über den Zeitraum von 16 Wochen konstant hielten. Begleitet wurden die Probandinnen am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Eine regelmäßige Analyse des Stuhls zeigte, dass die Diät die Anzahl der Mikroorganismen im Darm der Frauen senkte und die Zusammensetzung der Darmflora veränderte. „Wir konnten beobachten, wie die Bakterien ihren Stoffwechsel umstellen, um vermehrt Zuckerverbindungen aufzunehmen, die dem Menschen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Man kann sagen, es entwickelt sich ein hungriges Mikrobiom“, beschreibt Erstautor Dr. Reiner Jumpertz von Schwartzenberg. Er ist Wissenschaftler und Arzt an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité und wurde im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms der Charité und des Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité gefördert.
Anschließend übertrugen die Wissenschaftler Stuhlproben, die sie vor und nach der Diät gesammelt hatten, auf Mäuse, die keimfrei gehalten wurden und dadurch keine eigene Darmflora hatten. Dabei stellten sie Erstaunliches fest: Tiere, die den nach der Diät entnommenen Stuhl erhielten, verloren Gewicht – und zwar mehr als 10 Prozent ihrer Körpermasse innerhalb von nur zwei Tagen. Eine solche Stuhltransplantation vor der Diät blieb ohne Effekt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich dieses Phänomen vor allem durch eine Veränderung der Nahrungsabsorption im Darm der Tiere erklären lässt“, sagt Prof. Spranger. „Dies unterstreicht, dass Darmbakterien die Aufnahme der Nahrung maßgeblich beeinflussen.“
Als die Forschenden die Stuhlzusammensetzung genauer untersuchten, fiel ihnen vor allem eine verstärkte Besiedelung mit einem bestimmten Bakterium auf: Clostridioides difficile. Der Mikroorganismus ist in der Umwelt ebenso zu finden wie im Darm gesunder Menschen und Tiere. Er kann sich allerdings nach einer Antibiotikatherapie deutlich vermehren und dann auch schwere Entzündungen der Darmwand hervorrufen. Auch gilt C. difficile als einer der häufigsten Problemkeime in Krankenhäusern. Sowohl die Probandinnen, die eine Diät durchlaufen hatten, als auch die Mäuse, die die entsprechenden menschlichen Darmbakterien nach einer Diät transplantiert bekamen, wiesen erhöhte Mengen davon auf. „Wir konnten außerdem nachweisen, dass C. difficile die für das Bakterium typischen Giftstoffe produzierte – davon hing sogar der Gewichtsverlust der Tiere ab“, erklärt Prof. Spranger. „Dennoch zeigten weder die Probandinnen noch die Tiere klinische Anzeichen einer Darmentzündung.“
Der Forscher resümiert: „Eine stark kalorienreduzierte Diät sorgt also dafür, dass ein als Krankenhauskeim bekanntes Bakterium sich leichter vermehren kann und die Aufnahme der Nahrung über die Darmwand weniger effizient macht – ohne aber Krankheitssymptome zu verursachen. Unklar ist bisher, inwiefern eine solche asymptomatische Besiedelung mit C. difficile die Gesundheit beinträchtigen oder möglicherweise sogar fördern kann, wenn das Bakterium sich nicht zu stark ausbreitet. Das muss nun in größeren Studien untersucht werden.“ Aus den Ergebnissen der Studie, die unter anderem vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) gefördert wurde, könnten sich mögliche Therapieoptionen für Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas oder Diabetes ergeben. Das Team geht daher nun der Frage nach, wie sich die Darmbakterien beeinflussen lassen könnten, um beim Menschen vorteilhafte Effekte für das Körpergewicht und den Stoffwechsel zu bewirken.