Geimpfte und Genesene: Wie lange bleibt ihr Schutz vor Corona?

Um die Dauer des Schutzes zu verbessern, arbeiten Hersteller an Auffrischungsimpfstoffen

10.05.2021 - Deutschland

(dpa) Manche Krankheiten wie Masern steht man einmal im Leben durch - und wenn man erneut mit dem Erreger in Kontakt kommt, hat man nichts mehr zu befürchten. Gegen andere Krankheiten wie Gelbfieber gilt eine einzige Impfung als ausreichend für lebenslange Immunität. Wäre der Immunschutz nach Infektion oder Impfung beim Coronavirus genauso stabil, wäre die Pandemie deutlich schneller in den Griff zu bekommen. Doch bei SARS-CoV-2 ist es komplexer. Auch, weil nicht alle Menschen gleich auf Infektion oder Impfung reagieren.

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Symbolbild

Trotz des Wegfalls vieler Alltagsbeschränkungen für Geimpfte und Genesene seit Sonntag sollte man nicht vergessen: Eine Impfung schützt nicht zu 100 Prozent und man weiß auch noch nicht genau, wie lange der Immun-Effekt nach Impfung oder durchgemachter Infektion anhält. Klar ist, dass der Schutz mit der Zeit nachlässt. Bislang gibt es keine Erfahrungswerte über lange Zeiträume, dafür sind Virus und auch Impfstoffe einfach zu neu.

Das Virus werde durch Impfungen nicht verschwinden, betonte kürzlich der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler: Sie gäben zwar eine Grundimmunität, die die Erkrankung verhindere oder die Schwere abmildere. «Aber sie verhindern nicht immer, dass eine Infektion mit dem Sars-CoV-2 geschieht.» Auch bei Geimpften bestehe ein Restrisiko, dass sie sich infizieren und andere anstecken können.

Was lässt sich bisher sagen? «Die besten Daten, die wir haben, kommen von ehemals Infizierten», sagt der Immunologe Carsten Watzl. Für Studien wurden Betroffene von der ersten Phase der Pandemie an begleitet. Wissenschaftler interessieren sich etwa dafür, wie sich Antikörperspiegel entwickeln: Wie lange bleiben die Abwehrstoffe, die der Körper gegen Sars-CoV-2 gebildet hat, erhalten? Es gibt aber dabei nicht den einen Wert, der die Immunität anzeigt. «Es existieren keine internationalen Schwellenwerte, die definieren, ab welchem Punkt man nicht mehr immun ist», erläutert Watzl, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist.

Experten unterscheiden mehrere Arten von Antikörpern, die zumindest wichtige Hinweise zur Immunität liefern. Zwei Beispiele: Die sogenannten IgA-Antikörper kann man sich als schnelle Eingreiftruppe vorstellen, die etwa im Nasenschleim und in der Lunge vorhanden ist und etwa eingeatmetes Virus unschädlich macht. Sogenannte IgG-Antikörper hingegen werden erst nach einer gewissen Zeit im Blut gebildet, gelten als Teil des Immun-Gedächtnisses und haben Einfluss auf die Schwere der Erkrankung. Sollte man sich erneut mit dem gleichen Erreger infizieren, sorgen sie für eine rasche Reaktion.

Was den Selbstschutz anbelangt - also das Vermeiden von schwerer Krankheit und Tod - rechnen Fachleute mit verlässlicher Abwehr auch noch nach einiger Zeit: Bisherige Daten von Genesenen zeigten relativ stabile Werte der IgG-Antikörper im Blut, sagte Watzl. «Da kann man bei vielen Genesenen von einer Immunität von einem Jahr ausgehen.»

Es bilden aber nicht alle Infizierten Antikörper. Diese sind auch nicht allein entscheidend: Die körpereigene Abwehr hat auch noch einen zweiten Arm, sogenannte T-Zellen: Diese zerstören körpereigene Zellen, die vom Virus infiziert wurden. Eine US-Studie, die noch nicht von anderen Fachleuten begutachtet wurde, macht aber auch hier Hoffnung auf eine breite, recht lang anhaltende Abwehr.

Durch Impfungen rechnet Watzl mit einem noch besseren, möglicherweise mehrjährigen Schutzeffekt vor schweren Verläufen bis hin zum Tod: Damit würden höhere Antikörperspiegel erreicht als bei der natürlichen Infektion. Die Hoffnung sei, dass die Antikörper von Geimpften ähnlich lange halten wie die von Genesenen. Die Nachbeobachtung des US-Herstellers Moderna etwa zeigt bisher, dass Antikörper mindestens sechs Monate nach der zweiten Dosis bestehen bleiben. Man kann aber nicht pauschalieren: Watzl zufolge bewirken verschiedene Impfstoffarten auch unterschiedliche Immunantworten.

Weniger langanhaltende Effekte werden für den sogenannten Fremdschutz erwartet: Mit der Zeit scheinen Genese wieder mehr zur Verbreitung des Virus beizutragen. Hier sind die IgA-Antikörper auf den Schleimhäuten von Interesse: «Man sieht einfach, dieses IgA geht schneller wieder weg als das IgG», sagte der Virologe Christian Drosten kürzlich im «Coronavirus-Update».

Schwindender Schleimhautschutz könnte ihm zufolge auch beim schlimmen Wiederaufflammen der Pandemie in Indien eine Rolle gespielt haben. Insbesondere nach milden Verläufen gehe dieser Schutz «nach zwei, drei Monaten» verloren, so Drosten. Nach schweren Verläufen halte er länger, «sicherlich einige Monate». Auch mehrere durchgemachte Infektionen verlängerten den IgA-Schutz.

Dass dieser Schutz nachlässt, ist Experten schon lange bewusst, auch bei Geimpften wird der Effekt erwartet. Das hängt auch mit dem Ort der Immunreaktion zusammen: Eine Impfung in einen Muskel ruft vor allem Antikörper hervor, die im Blut zirkulieren - diese wandern aber von dort auch in die Atemwege. Sinken die Spiegel im Blut, lässt auch der Schutz der Schleimhäute nach. Um direkt dort einen guten Schutz aufzubauen, gelten eigentlich über die Atemwege verabreichte Impfstoffe als ideal, etwa als Nasenspray. Bis solche Präparate gegen Sars-CoV-2 marktreif sind, dürfte aber noch einige Zeit vergehen.

Um die Dauer des Schutzes, aber auch die Breite zu verbessern, arbeiten Hersteller an Auffrischungsimpfstoffen. Drosten zufolge könnten diese zum Winter hin zum Einsatz kommen. RKI-Chef Wieler sagte am Freitag, man werde anhand von Studien sehen, wann eine Auffrischung angezeigt sei. «Wir werden noch öfter impfen müssen.» Aber Zeitabstände könne man noch nicht benennen.

Besser abgedeckt werden sollen mit Boostern auch neue Virusvarianten, die der Immunantwort entgehen können. Aktuell sind diese in Deutschland noch selten. Doch mit zunehmendem Anteil von Geimpften und Genesenen in der Bevölkerung könnten sie ihre Vorteile gegenüber anderen Varianten ausspielen. Im Fokus sind momentan die in Südafrika und Brasilien entdeckten Mutanten B.1.351 und P.1.

Der Chef des Pharmakonzerns Pfizer, Albert Bourla, sagte kürzlich laut US-Medien, er halte künftig jährliche Corona-Impfungen für möglich. Eine Aussage, über die sich Immunologen wunderten, sagte Watzl: «Für den Großteil der Bevölkerung ist nicht zu erwarten, dass das gesamte Prozedere jedes Jahr wiederholt werden muss.» Eine Dosis pro Saison - ähnlich wie bei der Grippeschutzimpfung - bräuchten voraussichtlich jene Menschen, deren Immunsystem nicht mehr so gut auf eine Impfung anspricht, etwa aus Altersgründen oder wegen Immunschwäche durch Vorerkrankungen. Für sie sei es auch wichtig, durch ein geimpftes Umfeld mitgeschützt zu werden. Dafür reichten voraussichtlich Auffrischungen im Abstand von mehreren Jahren.

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