Ein präziser Maßstab für schützende Immunität

Neues Werkzeug soll die Suche nach dem HCV-Impfstoff erleichtern

23.02.2021 - Deutschland

Weltweit sind rund 71 Millionen Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) infiziert. Dass bis heute kein Impfstoff gegen das Virus gefunden werden konnte, liegt auch daran, dass es zahlreiche Virusvarianten gibt, die sich teilweise mehr als 30% voneinander unterscheiden. Wissenschaftlern vom TWINCORE, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig ist es nun gelungen, ein Testsystem zu entwickeln, das präzise die schützende Wirkung einer Immunantwort gegen das große Spektrum der HCV-Erreger misst.

© TWINCORE / Grabowsk

Dr. Dorothea Bankwitz (l.), Erstautorin der Studie, hat die Arbeiten im Labor durchgeführt. Die gewonnenen Daten hat Akash Bahai (r.) mit bioinformatischen Mitteln ausgewertet.

Um einen solchen Maßstab zu entwickeln haben die Forscher am TWINCORE zunächst sogenannte neutralisierende Antikörper aus dem Blut von 104 HCV-positiven Patienten untersucht. Diese körpereigenen Abwehrmoleküle spielen eine zentrale Rolle in der Immunantwort. Sie entstehen sowohl während einer Infektion mit einem Erreger als auch nach einer Impfung. Sie binden Viren und schalten sie aus. Die Forscherinnen und Forscher interessierte zunächst, wie gut die Antikörper möglichst viele verschiedene HC-Viren neutralisieren können.

„Das ist eine zentrale Frage für die Impfstoffentwicklung. Man weiß ja nicht vorher mit welchem Virus man es zu tun haben wird“, sagt Dr. Dorothea Bankwitz, Wissenschaftlerin am Institut für Experimentelle Virologie des TWINCORE und Erstautorin der Studie. „Ein Impfstoff muss deswegen eine Immunität aufbauen, die vor der Ansteckung mit ganz vielen unterschiedlichen Varianten schützt.“

Auf Grundlage dieser Ergebnisse haben sie die Viren mit Hilfe von bioinformatischen Methoden in sechs unterschiedliche Gruppen, sogenannte Cluster, eingeteilt. „Zwischen den Viren im gleichen Neutralisations-Clustern besteht kein offensichtlicher genetischer Zusammenhang, so wie wir ihn von den Virusstämmen kennen. Sie verhalten sich aber in Bezug auf ihre Anfälligkeit gegenüber Antikörpern sehr ähnlich“, sagt Prof. Alice McHardy, Leiterin der Arbeitsgruppe „Bioinformatik der Infektionsforschung“ am HZI.

Im weiteren Verlauf der Studie konnten die Forscher und Forscherinnen belegen, dass man nicht mühsam die Wirkung der Antikörper gegen alle Testviren analysieren muss. „Es reicht, mit einem Testvirus aus jedem der Cluster exemplarisch zu messen, wie gut die Antikörper vor verschiedenen HCV-Varianten schützen“, sagt Akash Bahai, Bioinformatiker im Team von McHardy. Das ist eine wesentliche Vereinfachung und damit eine sehr effektive Methode, um in Zukunft auch die Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten einzuschätzen.

Diese Entdeckung hat aber auch noch eine weitere besondere Bedeutung für die Impfstoffentwicklung: „Bisher nahm man an, es müsse mit genetisch ganz unterschiedlichen HCV-Varianten geimpft, um einen breiten Schutz aufzubauen. Jetzt haben wir gelernt, dass die Varianten unabhängig von ihrem genetischen Hintergrund unterschiedlich auf Antikörper reagieren“, sagt Prof. Thomas Pietschmann, Direktor des Instituts für Experimentelle Virologie am TWINCORE und Leiter des Forschungsprojekts. „Vermutlich ist es besser, gegen Vertreter der Viruscluster zu immunisieren, um eine breit schützende Immunantwort aufzubauen. Dafür können die von uns gefundenen Cluster jetzt eine Grundlage bilden.“ Die Forscherinnen und Forscher hoffen deshalb, dass das von ihnen erstellte Testsystem bei der weiteren Suche nach einem Impfstoff gegen HCV helfen wird.

Ein großer Teil dieses Forschungsprojektes wurde nicht im Labor, sondern am Computer durchgeführt. „Das ist heutzutage die Regel“, sagt Pietschmann. „Darum sind wir sehr froh, dass wir bestens mit Bioinformatikern vernetzt sind. Der Exzellenzcluster RESIST, an dem Forscher vom TWINCORE, von der MHH und vom HZI beteiligt sind, und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) bieten uns dafür die optimalen Bedingungen.“

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