Infiziert oder nicht: Wie sicher sind Corona-Tests?
Diese Frage ist spannend. Aber nicht leicht zu beantworten: Die Analysen dazu haben Tücken
(dpa) Alle schauen auf die Zahl der Corona-Infizierten. Doch klar ist auch, dass es eine erhebliche Dunkelziffer nicht erfasster Fälle gibt. Studien in mehreren Regionen Deutschlands sollen einen besseren Überblick verschaffen. Aus dem Biotechnologie-Zentrum des Pharmariesen Roche im oberbayerischen Penzberg kommt nun ein Antikörpertest, der Verwaltungsratspräsident Christoph Franz zufolge weltweit millionenfach Klarheit bringen soll.
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Doch weil es keinen in allen Belangen hundertprozentig zuverlässigen Test gibt, sind Ergebnisse solcher Untersuchungen mit Fragezeichen versehen. «Es gibt einen großen Graubereich», sagt Antonia Zapf vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Zahlen und Studien gäben bisher zwar einen guten Eindruck der Entwicklung. «Wichtig ist aber zu kommunizieren, dass es Schätzungen sind - nicht die Wahrheit.»
Wie zuverlässig ein Test arbeitet, geben Hersteller mit Werten für die Spezifität und Sensitivität an. Die Sensitivität steht für die Erkennungsrate, also den Prozentsatz der Betroffenen, bei denen die Infektion tatsächlich erkannt wird. Ein Test mit einer Sensitivität von 95 Prozent identifiziert 95 von 100 Infektionen und 5 nicht. Für den Roche-Test Elecsys Anti-Sars-CoV-2 beträgt die Sensitivität nach Angaben des Unternehmens 100 Prozent. Verwaltungsratspräsident Franz sprach am Montag von einem völlig «neuen Qualitätsniveau».
Die Spezifität sagt aus, wie viele Gesunde, die definitiv nicht mit dem Virus infiziert sind oder waren, von dem Test auch tatsächlich als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95 Prozent liefert bei 5 von 100 nicht infizierten Menschen fälschlicherweise ein positives Ergebnis. Für Elecsys Anti-Sars-CoV-2 gibt Roche die Spezifität mit 99,8 Prozent an. Bei hoher Sensitivität und geringer Spezifität kann es viele falsch-positive Befunde geben.
Unterschieden werden muss bei den Tests ferner, ob es sich um einen Nachweis von Erbgut des Virus Sars-CoV-2 handelt oder um eine Untersuchung auf spezielle Antikörper, die der Betroffene nach einer Infektion mit diesem Virus entwickelt hat. Für aktuelle Infektionen wird das Coronavirus nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) molekularbiologisch nachgewiesen, indem man etwa in einem Rachenabstrich nach dem Erbgut des Virus sucht (RT-PCR).
«Es wurden bisher mehrere unterschiedliche Testsysteme entwickelt, die jeweils bestimmte Genabschnitte des Erregers erkennen», erläutert das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) dazu. Spezifität und Sensitivität hingen unter anderem vom verwendetem Genabschnitt oder der Kombination von Genabschnitten ab - aber auch den genutzten RT-PCR-Reagenzien, so das LGL. Labore arbeiten demnach mit unterschiedlichen Testsystemen und beziehen eigenverantwortlich die dafür benötigten Materialien.
Tests auf Sars-CoV-2-spezifische Antikörper im Blut wie auch Roches Elecsys Anti-Sars-CoV-2 spielen für die Diagnose einer akuten Infektion keine Rolle, da zwischen Beginn der Symptomatik und der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörpern nach RKI-Angaben etwa sieben Tage vergehen, in Einzelfällen mehr. Entscheidend ist also der Abstand zwischen Erkrankung und Test, wie auch Zapf erläutert. Je größer dieser Zeitraum ist, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass die RT-PCR positiv ist - und desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Antikörpertest positiv ist.
Problematisch wird es bei sogenannten falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen. Einfach ausgedrückt: Wenn also das angezeigte Ergebnis nicht den Tatsachen entspricht. Dabei sind die Konsequenzen unterschiedlich, je nachdem ob es sich um einen Virusnachweis mittels RT-PCR oder einen Antikörpernachweis handelt.
Im Fall der RT-PCR seien vor allem falsch-negative Ergebnisse fatal, so Zapf, da das bedeute, dass die Getesteten als gesund eingestuft werden, obwohl sie infiziert sind. Die Professorin macht deutlich: «Das heißt ja, die Leute gehen raus und stecken vielleicht andere an.» Bei falsch-positiven Tests müssten die Leute und Kontaktpersonen zwar in Quarantäne, was eigentlich unnötig wäre. Aber das sei im Zweifel gesamtgesellschaftlich betrachtet der geringere Schaden.
Im Gegensatz dazu sind aus ihrer Sicht beim Antikörpertest die Konsequenzen eines falsch-positiven Befunds schwerwiegender, da sich so Personen zu Unrecht sicher fühlen und sich womöglich nicht mehr zum Beispiel an Hygienebestimmungen und Kontaktbeschränkungen halten.
Hierzu ein Rechenbeispiel: Nehmen wir an, von 83 Millionen Menschen in Deutschland wäre eine Million infiziert und eine Million wäre wieder gesund und hätte Antikörper entwickelt. Bei einer Vollerhebung mit Tests (RT-PCR und Antikörpertest) mit einer Sensitivität und einer Spezifität von jeweils 95 Prozent würden 50.000 Infizierte fälschlicherweise als noch gesund diagnostiziert und 50.000 fälschlicherweise als wieder gesund. Mehr als vier Millionen Menschen bekämen wiederum ein falsch positives Ergebnis - denken also, sie seien infiziert, obwohl sie gesund sind. Und der Antikörpertest würde zu über vier Millionen falsch-negativen Ergebnissen führen.
Hinzu kommt nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, dass Hersteller Covid-19-Tests noch bis Mai 2022 selbst zertifizieren können. Über die Zuverlässigkeit von Schnelltests könne die Behörde daher keine Aussage treffen, «da entsprechende Untersuchungen noch nicht durchgeführt wurden». Bei den Covid-19-Antikörpertests müsse zudem eine mögliche Kreuzreaktion mit Antikörpern ausgeschlossen werden, die gegen andere Coronaviren gebildet wurden.
Das Institut weist auch darauf hin, dass die Validierung von Tests, die etwa im Internet angeboten werden, wegen der bestehenden Möglichkeit der «Selbst-Zertifizierung» nicht immer gesichert sei. «Nachweislich gibt es hier auch Fälschungen von Zertifikaten.»
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