Der Ursprung der B1-Zellen
Ende einer langwährenden Debatte in Sicht
Chu Van Trung, MDC
Ohne sie geht bei der Bekämpfung von Krankheiten gar nichts: B-Zellen, die zu den weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) gehören, sind als einzige Zellen des Immunsystems in der Lage, Antikörper zu bilden. Diese Y-förmigen Proteine, die von den Zellen als B-Zell-Rezeptor für Antigen auf der Zellmembran ausgeprägt werden und auch von ihnen sezerniert werden können, heften sich an körperfremde Strukturen, etwa auf Bakterien oder Viren, und geben sie damit zur Bekämpfung durch Fress- und andere Immunzellen frei.
B1-Zellen entwickeln sich bereits in Neugeborenen und sind für die natürliche Immunität wichtig
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von B-Zellen. Die B2-Zellen, die den größten Teil der weißen Blutkörperchen ausmachen, zirkulieren vor allem im Blut und sind in lymphatischen Organen wie Thymus, Milz, Lymphknoten und Knochenmark angesiedelt. Die B1-Zellen hingegen kommen vor allem in den Körperhöhlungen vor, also im Bauchraum um den Intestinaltrakt und im Pleuraraum um die Lungen. Sie reagieren auf ein breites Spektrum fremder Proteine und anderer Fremdstoffe, sogenannter Antigene, aber auch auf bestimmte körpereigene Antigene – und zwar auf andere Weise als die hochspezialisierten B2-Zellen.
Bei Neugeborenen machen die B1-Zellen den Großteil der B-Lymphozyten aus. Später fällt dieser Wert auf wenige Prozent. Auch aus diesem Grund wird den B1-Zellen eine wichtige Rolle bei der natürlichen Immunität, also dem angeborenen Immunsystem, zugewiesen. B2-Zellen sind dagegen vor allem für die erworbene Körperabwehr zuständig sind, die zum Beispiel nach einem Infekt oder einer Impfung entsteht.
Über die Herkunft der B-Zellen wird schon seit Jahrzehnten diskutiert
Unklar war bislang, wie die verschiedenen B-Zelltypen entstehen. „Ein Teil der Forscherinnen und Forscher in der Immunologie ist der Meinung, dass sich B1- und B2-Zellen aus unterschiedlichen Vorläuferzellen entwickeln“, sagt einer der Erstautoren der Science-Studie, Dr. Robin Graf aus der Arbeitsgruppe „Immunregulation und Krebs“ von Professor Klaus Rajewsky am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. „Andere Immunologen vertreten die Ansicht, dass sich die B1-Zellen aufgrund ihrer besonderen auto-reaktiven B-Zell-Rezeptoren entwickeln.“
Die neue Studie, an der außer Graf auch weitere Wissenschaftler aus der Gruppe von Rajewsky bereits in Köln und Boston (USA) maßgeblich beteiligt waren, liefert nun deutliche Hinweise für die Richtigkeit der zweiten Hypothese. „Wir haben in ausgereiften B2-Zellen den B-Zell-Rezeptor durch einen B1-typischen B-Zell-Rezeptor ausgetauscht, den man in der Natur nur auf B1-Zellen findet“, sagt Graf.
Die manipulierten B2-Zellen nahmen die Eigenschaften von B1-Zellen an
Auf diese Weise verwandelten sich die B2-Zellen in B1-Zellen. „Zum einen konnten wir zeigen, dass die Zellen für B1-Zellen typische Oberflächenmerkmale entwickelten“, berichtet Graf. Zum anderen nahmen die manipulierten B2-Lymphozyten die funktionellen Eigenschaften von B1-Lymphozyten an. „Wenn wir sie in Mäuse transplantierten, siedelten sie sich an den Stellen im Körper an, an denen B1-Zellen natürlicherweise zu finden sind“, sagt der MDC-Forscher.
Darüber hinaus produzierten die veränderten Zellen spontan Antikörper. „Auch das ist ein typisches Merkmal von B1-Zellen“, erklärt Graf. Zudem vermehrten sich die Zellen stark innerhalb von ein bis zwei Wochen, sobald der B1-typische Rezeptor von ihnen ausgeprägt wurde. Dieses Verhalten gleicht der natürlichen Entwicklung der B1-Zellen in frühen Entwicklungsstadien – ein Prozess, der noch kaum erforscht ist.
Das Ende einer langwährenden Debatte in Sicht
Schließlich nahm Graf bei den veränderten B2-Zellen noch eine genomweite Analyse der Genaktivität vor. „Dabei konnten wir zeigen, dass in den Zellen die gleichen Gene aktiv waren wie in normalen B1-Zellen“, berichtet der Wissenschaftler.
Graf erwartet, dass die Studie Immunologen davon überzeugen wird, dass B1-Zellen aufgrund der Spezifität ihres B-Zell-Rezeptors entstehen.