Flexibel, stabil und potent gegen Krebs
Neuer Ansatz für die Tumortherapie
© Wiley-VCH
Medikamente sollen hoch wirksam sein, dabei aber möglichst nebenwirkungsfrei. Besonders bei der Krebstherapie ist das eine Herausforderung, da die eingesetzten Cytostatika in die Regelungsmechanismen aller Körperzellen eingreifen und typische Begleiterscheinungen wie Beeinträchtigung der Immunabwehr, Haarverlust und Übelkeit verursachen. Man versucht daher, die Cytostatika gezielt in Tumorzellen zu schleusen und sie erst dort ihre toxische Wirkung entfalten zu lassen. Dies gelingt u.a. durch die Verknüpfung solcher kleiner Wirkstoff-Moleküle mit einem Antikörper. Das Verbindungsstück, der sog. Linker, soll das Konjugat stabil zusammenhalten, solange es im Blut zirkuliert. Der Antikörper bindet spezifisch an Bindestellen (Antigene), die in besonders großer Menge auf der Oberfläche der anvisierten Tumorzellen vorkommen. Das Andocken löst die Aufnahme des Konjugats in die Krebszellen aus. Dort wird der Wirkstoff durch die Einwirkung von Enzymen freigesetzt, damit er dann gezielt seine zerstörerische Wirkung auf die Krebszelle entfalten kann. Gesunde Zellen bleiben so weitestgehend unbehelligt.
Die Zahl an Cytostatika, die in solchen Antikörper-Konjugate erfolgreich eingesetzt werden, ist bisher allerdings noch begrenzt. Forscher um Hans-Georg Lerchen (Bayer AG) haben dies jetzt mit einem Cytotoxin versucht, das nach einem anderen Mechanismus in den Zellzyklus eingreift als klassische Cytostatika: Es handelt sich um einen neuartigen Pyrrol-basierten Inhibitor des Kinesin-Spindel-Proteins, das bei der Trennung der Zentrosomen während der Zellteilung eine wichtige Rolle spielt. Eine Blockade dieses Schritts führt zu einer starken Antitumor-Wirkung. Bereits in sehr geringen Dosen zeigte sich der Inhibitor hochwirksam gegen eine breite Palette von Krebszelllinien. Lerchen und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass sich auf dieser Basis hochaktive Antikörper-Konjugate herstellen lassen. Über die Wahl des Antikörpers lassen sich gezielt verschiedene Arten von Tumoren angreifen.
Es gelang den Forschern, den Inhibitor an verschiedenen Anknüpfungspunkten über stabile Linker mit dem Antikörper zu verknüpfen, so dass eine verfrühte Abspaltung verhindert wird. Erst in den Tumorzellen werden die Konjugate von Enzymen metabolisiert und der Inhibitor freigesetzt. Über die Wahl des Linkers lassen sich die entstehenden Inhibitor-Moleküle gezielt variieren und deren Wirkung an die jeweiligen Erfordernisse anpassen: Solche, die nicht wieder aus Zellen ausgeschleust werden, akkumulieren in den Tumorzellen und verlängern so die Wirkdauer. Solche, die wieder austreten können, gelangen in benachbarte Tumorzellen. Das ist insbesondere für die Behandlung solcher Tumore vorteilhaft, die ein heterogenes Muster in der Ausprägung der Bindestellen aufweisen.
Die neuen Konjugate waren hochwirksam in vitro und erwiesen sich auch in vivo als effizient in Tumormodellen für verschiedene Indikationen. In Versuchen an Mäusen führten sie u.a. zur vollständigen Rückbildung eines humanen Blasen-Tumor-Modells – bei minimalen Nebenwirkungen.
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Themenwelt Antikörper
Antikörper sind spezialisierte Moleküle unseres Immunsystems, die gezielt Krankheitserreger oder körperfremde Substanzen erkennen und neutralisieren können. Die Antikörperforschung in Biotech und Pharma hat dieses natürliche Abwehrpotenzial erkannt und arbeitet intensiv daran, es therapeutisch nutzbar zu machen. Von monoklonalen Antikörpern, die gegen Krebs oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden, bis hin zu Antikörper-Drug-Konjugaten, die Medikamente gezielt zu Krankheitszellen transportieren – die Möglichkeiten sind enorm.
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