Laser lenkt Zellwachstum in geordnete Bahnen

24.10.2018 - Österreich

Winzige Strukturen, in denen sich lebende Zellen vermehren, kann man gezielt mit Laserstrahlen herstellen. An der TU Wien wurde diese Technik nun deutlich verbessert.

Copyright: TU Wien

Mit einer speziellen Technik werden kleine Kanälchen mit einem Durchmesser von ca. 20µm hergestellt, in denen sich die Zellen ansiedeln.

Zellen in einer Petrischale wachsen zu lassen ist einfach – aber es gibt einen gravierenden Nachteil: Man ist auf zwei Dimensionen beschränkt. Will man dreidimensionale Strukturen wachsen lassen, etwa um den Stofftransport in einem Gewebe zu studieren oder gar um kleine Blutkapillaren zu erzeugen, dann muss man die Zellen dreidimensional anordnen und ihnen dafür das passende Gerüst bieten.

Erreichen kann man das, indem man bioverträgliche wässrige Materialien (sogenannte Hydrogele) mit Laserstrahlen gezielt zurechtformt. Diese Technik konnte nun an der TU Wien deutlich verbessert werden – mit Hilfe eines Zusatzstoffes, der die Empfindlichkeit des Hydrogels gegenüber dem Laserlicht erhöht. Das Forschungsprojekt war eine Zusammenarbeit mehrerer Institute der TU Wien und der Universität Uppsala.

Ein Gitternetz im Mikro-Format

„Hydrogele sind Polymere mit lockerer Molekülstruktur. Man kann sie sich wie ein dreidimensionales Netzwerk vorstellen, in dem sich lebende Zellen stützen und festhalten lassen“, erklärt Markus Lunzer von der TU Wien. „Damit die Zellen sich so verhalten, wie man das möchte, muss man diese Hydrogele aber oft auf der Mikrometerskala manipulieren – etwa indem man Kanäle im Hydrogel anlegt, in die Zellen hineinwachsen können, oder durch die sie mit Nährstoffen versorgt werden.“

An der TU Wien verwendet man dafür eine spezielle Lasertechnik: Der Laserstrahl wird auf einen Punkt im Hydrogel fokussiert. Genau dort, wo der Laserstrahl am intensivsten ist, wird eine chemische Reaktion angeregt. Eine eigens dafür ins Hydrogel eingebaute spaltbare Gruppe wird abgelöst, und das Hydrogel löst sich am gewünschten Punkt auf. „Wir verwenden eine chemische Reaktion, die nur dann abläuft, wenn gleichzeitig am selben Ort zwei Photonen aus dem Ultrakurzpulslaserstrahl absorbiert werden“, sagt Markus Lunzer. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist fast überall extrem niedrig – nur exakt am Fokuspunkt des Laserstrahls ist sie ausreichend hoch. Dadurch erreichen wir eine ausgezeichnete Präzision und können mit Licht gezielt winzige Kanäle ins Hydrogel fräsen.“

Der Sensitizer – das Beschleunigungsmolekül

Normalerweise ist dieser Prozess aber recht ineffizient und deshalb langsam. Das Team der TU Wien fand nun aber einen entscheidenden Trick: „Wir fügen dem Hydrogel einen sogenannten Sensitizer hinzu“, sagt Aleksandr Ovsianikov. „Das ist ein Molekül, das dabei hilft, die Energie des Lichts auf das Hydrogel zu übertragen.“ Hergestellt wurde der Sensitizer vom Chemiker Prof. Robert Liska (ebenfalls TU Wien) und seinem Team. Mit Hilfe dieses Zusatzstoffes kann derselbe Vorgang in kürzerer Zeit ablaufen – oder in derselben Zeit wie bisher, aber mit deutlich geringerer Energie. Das kann sinnvoll sein, wenn man die lebenden Zellen in der Umgebung schonen möchte, die von allzu starkem Laserlicht geschädigt werden könnten.

Das Team konnte zeigen, dass man auf diese Weise winzige Strukturen in der Größenordnung von wenigen Mikrometern ins Hydrogel fräsen kann. „Wir haben beispielsweise Kanäle geschaffen, in die das Zellgewebe hineinwächst und dann genau die gewünschte Form annimmt“, sagt Aleksandr Ovsianikov.

Möglich wurde dieser Erfolg an der TU Wien durch die Zusammenarbeit zweier verschiedener Fachgebiete: Das Team um Prof. Aleksandr Ovsianikov vom Institut für Werkstofftechnik und Werkstoffwissenschaften beschäftigt sich mit technisch-mechanischen Aspekten der Lasertechnologie, das Team um Prof. Robert Liska vom Institut für Angewandte Synthesechemie entwickelt passende Chemikalien, die genau den gewünschten technischen Anforderungen für die Herstellung der 3D-Strukturen gerecht werden. Markus Lunzer, Erstautor der aktuellen Publikation, arbeitet in beiden Forschungsgruppen gleichzeitig. Bei der mikromechanische Charakterisierung der bestrahlten Proben half das Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik (TU Wien).

„Genau das ist der Grund, warum die TU Wien es schafft, in diesem Bereich immer wieder international für Aufsehen zu sorgen“, sagt Markus Lunzer. „Diese Art von Forschung braucht Expertise aus mehreren ganz unterschiedlichen Disziplinen. An der TU Wien ist diese Expertise an einer einzigen Institution versammelt, die Zusammenarbeit klappt hervorragend, und noch dazu sind wir mit einer ausgezeichneten Forschungs-Infrastruktur ausgestattet.“

Es gibt bereits zahlreiche Ideen für weitere medizinische Forschungsprojekte, die sich auf die neue Methode stützen sollen. So will man in Zukunft die Zellumgebung auch noch zeitlich variabel gestalten, sodass man während des Zellwachstums die Eigenschaften der Hydrogelstruktur kontrolliert anpassen kann.

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