Unterwegs auf dem molekularen Highway
Forschungsteam rekonstruiert Antriebs-Proteine in Zilien
G. Merck / TUM
Geißeltierchen brauchen sie, um sich fortzubewegen, Fadenwürmer um Futter zu finden, Spermien, um eine Eizelle anzusteuern: Zilien. Die Ausstülpungen eukaryonter Zellen sind sogar dafür verantwortlich, dass der Mensch das Herz am rechten Fleck hat – während sich der Fötus entwickelt, steuern die Zilien die Anlage der Organe. „Diese Multifunktionalität ist absolut faszinierend“, sagt Dr. Zeynep Ökten, Biophysikerin am Physik-Department der Technischen Universität München (TUM).
Die Bedeutung der Zilien sowohl für die Signalübertragung als auch für die Bewegung von Zellen wurde erst in den letzten Jahren erkannt. „Bis heute wissen wir nur sehr wenig darüber, welche biochemischen Prozesse die verschiedenen Funktionen steuern. Umso wichtiger ist es, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen“, betont die Wissenschaftlerin.
Grüne Punkte im Visier
Die Wissenschaftlerin hält ein Glasplättchen mit dünnen, flüssigkeitsgefüllten Kapillaren ans Licht. Zu sehen ist nichts – die Flüssigkeit ist transparent und klar. Erst unterm Fluoreszenz-Mikroskop erkennt man die Bewegung der mit grünem Farbstoff markierten Verbindungen: Rote Punkte streben in eine Richtung.
Wie auf einer Straße wandern die Transport-Proteine auch durch die dünnen Kanäle der Zilien. Doch wie diese Motoren gestartet werden, war bisher nicht bekannt. Zusammen mit ihrem Team hat Zeynep Oekten daher den Protein-Komplex rekonstruiert.
Bottom-up statt top-down
Die Bausteine des Protein-Komplexes stammen aus dem Modellorganismus des Fadenwurms Caenorhabditis elegans. Der findet mit Hilfe seiner Zilien Futter und wittert Gefahren. Die Biologen haben bereits Dutzende von Proteinen identifiziert, welche die Funktion der Zilien des Fadenwurms beeinflussen.
„Der klassische Top-down-Ansatz stößt hier an seine Grenzen, weil zu viele Bausteine beteiligt sind“, erklärt Ökten. „Um den Intra-Flagellaren Transport, kurz IFT, zu verstehen, sind wir daher den umgekehrten Weg gegangen und haben, Bottom-up, einzelne Proteine und ihre Wechselwirkungen untersucht.
Nadel im Protein-Heuhaufen
Die Arbeit glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es gab eine Vielzahl von Molekülverbindungen, die in Frage kamen. Nach monatelangem Experimentieren stießen die Forscher auf eine Minimalkombination aus vier Proteinen. Sobald sich diese Proteine zu einem Komplex zusammenschließen, beginnen sie durch die Kapillaren des Probenträgers zu wandern.
„Als wir die Aufnahmen des Fluoreszenz-Mikroskops sahen, wussten wir: Jetzt haben wir die Puzzlesteine gefunden, die den Motor starten“, erinnert sich Ökten. „Steht auch nur eine Komponente, beispielsweise aufgrund eines genetischen Defekts, nicht zur Verfügung, so versagt die Maschinerie – was sich aufgrund der Wichtigkeit der Zilien in einer langen Liste schwerer Krankheiten wiederspiegelt.“
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Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
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