"Glückshormon" kontrolliert das Furchtgedächtnis

Wissenschaftler entdecken einen Dopamin-Schaltkreis für das Erlernen von Furcht

02.07.2018 - Deutschland

Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben gemeinsam mit Neurobiologen des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien herausgefunden, dass das Glückshormon Dopamin das Furchtgedächtnis kontrolliert und dafür sorgt, dass sich bedrohliche Ereignisse im Gehirn einprägen. Die Forscher fanden heraus: Der Neurotransmitter Dopamin, der bisher vornehmlich als Vermittler von Belohnung und Motivation im Gehirn angesehen wurde, spielt auch eine wesentliche Rolle beim Abspeichern bedrohlicher Ereignisse.

Eine wichtige Überlebensstrategie für Mensch und Tier besteht darin, sich bedrohliche Ereignisse einzuprägen, um ihre Wiederholung zu vermeiden. Zuständig dafür ist das Furchtgedächtnis. Es lässt uns Anzeichen wie Gerüche oder Geräusche erkennen, die für das Wiederauftreten gefährlicher Situationen stehen, etwa einen Kampf oder eine Vergiftung. So können wir rechtzeitig reagieren, um Angriffen aus dem Weg zu gehen oder Verteidigungsreaktionen zu planen. Eine ungenaue Unterscheidung zwischen bedrohlichen und harmlosen Umgebungsreizen ist eine wesentliche Ursache für posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD).

Es ist daher wichtig, gefährliche von ungefährlichen Umgebungssignalen eindeutig unterscheiden zu können. Die Wissenschaftler um den Neurobiologen Dr. Wulf Haubensak vom IMP gingen der Frage nach, ob Dopamin eine Rolle in diesem Prozess spielen könnte. Der Wirkstoff, bekannt als Glückshormon und Motivationssignal, erschien zunächst als abwegiger Kandidat. Andererseits wird Dopamin immer dann an Synapsen unseres Gehirns freigesetzt, wenn wir für etwas belohnt werden. Warum sollte es nicht auch beim Erlernen lebensbedrohlicher Signale eine Rolle spielen?

Mit dem Physiologen Prof. Dr. Volkmar Leßmann und seinen Kollegen Dr. Susanne Meis und Dr. Thomas Munsch an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg sind sie dieser Frage im Tiermodell nachgegangen. Dazu brachten sie Mäusen bei, einen bestimmten Ton – als Umgebungsreiz – mit dem Auftreten eines milden Fußschocks zu assoziieren. Mithilfe verschiedener High-Tech-Methoden wie Kalzium-Bildgebung und optogenetischer Stimulation in vivo gelang es ihnen, eine neue Klasse von Dopamin-Neuronen in der Mittelhirn-Region zu lokalisieren, die während des Lernvorgangs aktiv war.

Diese Neuronen wurden immer genau dann aktiv, wenn die Mäuse lernten, den Zusammenhang zwischen Ton und Fußschock im Furchtgedächtnis abzuspeichern. Die Aktivität der Neuronen führte zur Ausschüttung von Dopamin in der Amygdala, einer Zentrale für emotionales Lernen im Säugetiergehirn. Dort ermöglichte Dopamin die besonders effektive Abspeicherung des nun als bedrohlich empfundenen Tons im Langzeitgedächtnis. Folgerichtig konnte eine vorübergehende Inaktivierung der Dopamin-Neuronen während des Lernvorgangs eine Abspeicherung des Tons im Langzeitgedächtnis verhindern, während alleine die Stimulation dieser Neuronen die Erinnerung an den Ton auslöste.

Die Entdeckung der Verbindung dieser bisher nahezu unbekannten Dopamin-freisetzenden Neuronen und dem Furchtgedächtnis der Amygdala war der Schlüssel zu den bahnbrechenden Ergebnissen der Studie: „Diese Ergebnisse werfen ein ganz neues Licht auf Dopamin-Neuronen, die bisher nur als Signalgeber für Belohnung und Motivation angesehen wurden“, sagt Dr. Florian Grössl, der Erstautor der Publikation und Postdoktorand im Haubensak-Labor. „Unsere Studie identifiziert ein bislang unbekanntes neuronales Netzwerk, bestehend aus Dopamin-Neuronen und Nervenzellen der Amygdala, das für die Auswertung von Emotionen essenziell ist: Es filtert aus der Vielzahl der Umgebungsreize diejenigen heraus, die lebenswichtig sind, und speichert sie im Langzeitgedächtnis ab.“

Beim Menschen sind die Dopamin-Neuronen in gleicher Weise mit der Amygdala verbunden wie bei Mäusen. Sie sind an der Schmerzwahrnehmung und, wie man seit kurzem weiß, auch an Lernvorgängen beteiligt. Ausgehend von den nun im Mausmodell erhaltenen Ergebnissen kann vermutet werden, dass beim Menschen eine fehlerhafte Funktion der Dopamin-Neuronen an psychischen Störungen wie z. B. der posttraumatischen Belastungsstörung beteiligt ist. Zukünftige Untersuchungen könnten in dieser Hinsicht zeigen, ob eine Behandlung mit Dopamin-ähnlichen Medikamenten hier Linderung verschaffen kann.

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