Neue Strategien zur Behandlung chronischer Nierenleiden kommen aus der Tierwelt
Georg Rauer
Im Tierreich brachte die Evolution durch bestimmte Veränderungen des Erbgutes eine große Anpassungsvielfalt an verschiedene Umweltfaktoren hervor. Viele Tierarten haben erstaunliche Mechanismen entwickelt, die sie vor Krankheiten oder ihre Zellen etwa vor Alterung und oxidativem Stress in Extremsituationen schützen können. Es ist daher naheliegend, diese Mechanismen an anderen Arten zu studieren und gewonnene Erkenntnisse für neue Strategien etwa in der Humanmedizin zu adaptieren.
Der Forschungsbereich, der sich mit diesem Ansatz beschäftigt, die Biomimetik, nimmt somit einen immer höheren Stellenwert ein und könnte auch im Fall der chronischen Nierenerkrankung zu einem medizinischen Erfolg führen. Eine internationale und interdisziplinäre Forschungskooperation, der WissenschafterInnen des Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie angehören, hat nun einen ersten Überblick gegeben, welche tierischen Mechanismen bei der Entwicklung neuer Therapieansätze für diese weltweit zunehmende Krankheit helfen könnten.
Lösungen für Chronische Nierenkrankheit gesucht
Sehr lange zu leben, wie der Nacktmull, oder Extremsituationen wie den Winterschlaf zu bewältigen zählen zu körperlichen Adaptionen im Tierreich, die für die Biomimetik interessant sind. „Biomimetik versucht Lösungsansätze zu kopieren, die die Natur über Jahrtausende erprobt und perfektioniert hat“, erklärt Johanna Painer vom Department für Integrative Biologie und Evolution. Sie forscht in einer internationalen Kooperation mit Experten verschiedener Bereiche, welche dieser Elemente aus der Tierwelt sich für die menschliche Gesundheit einsetzen lassen könnten. „Wir vergleichen Beispiele aus der Human- und Veterinärmedizin sowie der Biologie, um dadurch schneller von der Entstehung gewisser Probleme zu lernen und sie in Zukunft minimieren zu können“, so die Forscherin.
Eines dieser Probleme, für das möglicherweise Lösungen im Tierreich zu finden sind, ist die chronische Nierenkrankheit. Bei dieser Erkrankung, deren Häufigkeit weltweit zunimmt, kommt es zu vielen Folgekomplikationen, wie Herzkreislauferkrankungen, Osteoporose, Muskelschwund oder frühzeitige Alterung. Nierenkrankheiten sind aber auch im Tierreich ein Problem. Sowohl Haus-, als auch Wildkatzen leiden häufig unter chronischer Nierenkrankheit. „Eine mögliche Ursache kann der hohe Fleischkonsum und die dadurch resultierende Veränderung der Darmbakterien sein“, sagt Painer. Andere Tiere, wie die Vampirfledermaus oder der Winterschlaf haltende Bär haben dagegen Mechanismen entwickelt, die sie vor der Erkrankung schützen.
Zukünftige Studien sollen die für die Krankheit bei Tieren ursächlichen, sowie die für Schutzeffekte verantwortlichen Mechanismen überprüfen. „Studien an Katzenartigen könnten Informationen über Zusammenhänge zwischen rotem Fleischkonsum, den im Darm vorkommenden Mikroorganismen und Nierenerkrankungen liefern. Studien über Bären im Winterschlaf könnten dagegen helfen, neue Strategien zu finden, um Komplikationen wie Muskelschwund, Druckgeschwüre, Thrombosen und Osteoporose bei langer Bettlägerigkeit zu behandeln und zu verhindern“, folgert Painer. Auch bei der Organerhaltung könnten dadurch neue Möglichkeiten gefunden werden.
Den Vorteil, den die Biomimetik dafür bietet, ist ihre Interdisziplinarität. Die Zusammenarbeit zwischen Nephrologen, deren grundsätzliches Spezialgebiet Nieren- und Bluthochdruckerkrankungen sind, und Experten aus anderen Bereichen wie der Tiermedizin, Zoologie, molekularen Biologie, Anthropologie und Ökologie kann einen neuen Ansatz zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit schaffen und dabei helfen, auch neue Behandlungsstrategien für die chronische Nierenkrankheit zu finden. "Durch die Verknüpfung verschiedener Disziplinen, entsteht eine Synergie aus der heraus viele neue kreative Therapieansätze resultieren können. Davon sollten wir in Zukunft vermehrt Gebrauch machen“, so Painer.