Ausblick 2010: Pharmabranche im Bann der Gesundheitsreform in den USA

12.01.2010 - Deutschland

(dpa-AFX) Der anhaltende Druck auf die Arzneimittelpreise, Patentabläufe bei Medikamenten mit Milliardenumsätzen sowie die geplante Gesundheitsreform in den USA dürften 2010 die bestimmenden Themen im Pharmasektor sein. "Die größten Herausforderungen für die Branche sind die Gesundheitsreform und das sogenannte Patent-Cliff in den Jahren 2010 bis 2013", sagt Fondsexperte Thomas Bucher von der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank (DWS). Eine Einschätzung, die auch Markus Manns von Union-Investment teilt: "2010 geht es vor allem darum, die angestrebte Reform in den USA zu meistern. Die Auswirkungen auf der Branche werden aber nicht so dramatisch ausfallen, wie ursprünglich von den Arzneimittelherstellern erwartet", erklärt der promovierte Mediziner und Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.

Das Umfeld für die Branche habe sich verbessert und der Sektor sei sehr attraktiv bewertet: Wir erwarten in den kommenden fünf Jahren eine Fortsetzung des Gewinnwachstumstempos im mittleren einstelligen Bereich. Attraktive Dividendenrenditen und eine niedrige Bewertung sollten Anleger anlocken, sagt Bucher. Die Branche ist zudem relativ konjunkturunabhängig. Die Firmen müssen nicht mit Nachfrageeinbrüchen wie in der Autoindustrie kämpfen. Denn krank werden die Menschen auch in Krisenzeiten.

Pharma ist nicht gleich Pharma

Doch Pharma ist nicht gleich Pharma: Während Konzerne wie Viagra-Hersteller Pfizer vor großen Patentabläufen stehen, bleiben andere noch von der Umsatzerosion durch günstige Nachahmermedikamente (Generika) verschont. Der Blutfettsenker Lipitor von Pfizer verliert 2011 sein Patent und war 2008 mit fast 13 Milliarden Dollar das umsatzstärkste Medikament weltweit. Bis 2015 verlieren Medikamente mit einem Umsatz von 100 Milliarden Dollar ihren lukrativen Patentschutz (Quelle: Medco Health Solutions). IMS Health nennt bis 2013 ein Volumen von rund 135 Milliarden Dollar. Betroffen sind mit Pfizer, Eli Lilly und Bristol-Myers Squibb aus den USA, mit Japans Pharmakonzern Takeda und der französischen Sanofi-Aventis das "Who-is-who" der Branche.

Export-Antrieb für Deutschland

Weltweit könnte der Pharmaumsatz 2010 von rund 770 Milliarden in 2008 auf 825 Milliarden Dollar steigen. Beim Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) gehen rund 80 Prozent der Mitgliedsunternehmen wegen der Wirtschaftskrise 2010 von stabilen bis steigenden Umsätzen aus, sagte VFA-Chef Wolfgang Plischke jüngst. Im VFA sind 50 in Deutschland tätige Pharmakonzerne organisiert. Ein wichtiges Standbein der Branche in Deutschland ist das Auslandsgeschäft. Der Exportanteil ist 2008 auf mehr als 56 Prozent gestiegen (1995: 36%).

"Wenn man sich nur den Durchschnitt anschaut, dann wächst die Branche im Vergleich zum Vorjahr eher nicht oder nur minimal", erklärt Manns. "Nehmen wir aber den Schweizer Pharmakonzern Roche, bei dem kein wichtiger Patentablauf ansteht, oder auch GlaxoSmithKline, wo nur 2010 das Patent auf Advair ausläuft, dann sollten beide Unternehmen mittelfristig beim Gewinnwachstum hoch einstellig oder gar zweistellig zulegen."

US-Reform

"Die Mehrheit der Experten erwarten, dass sich der Nachfrageschub durch die rund 50 Millionen US-Amerikaner, die noch nicht versichert sind, in etwa die Waage mit den Belastungen durch die geplanten Kostensenkungen hält. Im schlimmsten Fall gehen wir von einem 3- bis 5-prozentigen Gewinnrückgang aus, der sich allerdings auf die kommenden zwei bis drei Jahre verteilt, sagt Manns. Laut Bucher werden zusätzliche Kosten durch eine stärkere Inanspruchnahme von Leistungen mit rund 800 Milliarden US-Dollar veranschlagt. "Hiervon wird die Pharmabranche mittelfristig profitieren. Kurzfristig wird von der Branche aber eine Vorleistung in Form von Steuerabgaben sowie Rabatten für die staatliche Medicare Versicherung verlangt.

Mehr Zulassungen und Übernahmen

Positiv für die Branche ist laut Manns die nicht mehr ganz so konservative Haltung der US-Arzneimittelbehörde: Die FDA lässt wieder mehr Medikamente zu und macht sich mehr um die Wirksamkeit als um Nebenwirkungen Gedanken. Der Zulassungsprozess hat sich in den letzten Jahren als unberechenbare Hürde entpuppt. Über Jahrzehnte reichte es für die Neuzulassung eines Mittels aus, dass es wirkte. Heute muss die Therapie besser als die bereits etablierte sein. Welche Risiken darin stecken, erlebte der Pharmakonzern Merck, dessen Zulassungsantrag für ein neues Multiple-Sklerose-Mittel von der FDA überraschend zurückgewiesen wurde. 2009 ist die Zahl der erstmals genehmigten neuen Wirkstoffe wieder gestiegen. Von der FDA wurden 2009 bisher 26 neue Substanzen zugelassen - immerhin ein Plus von mehr als einem Drittel gegenüber dem Tiefpunkt 2007.

Pharmakonzerne generieren hohe Rendite, üppige Cashflows und suchen weiter nach Zukäufen zur Stärkung lukrativer Geschäftsfelder: "Man erwartet bei allen, die bisher noch keine größeren Zukäufe getätigt haben, weitere Übernahmen, erklärt Manns. 2009 gab es einige spektakuläre Fusionen wie die rund 68 Milliarden Dollar teure Übernahme des US-Konzerns Wyeth durch Branchenprimus Pfizer. Ein weiteres bestimmendes Thema ist die molekulare Diagnostik und damit verbunden die Personalisierte Medizin. Dies bedeutet, dass etwa ein Medikament gegen Lungenkrebs nicht mehr für alle Patienten eingesetzt wird, sondern nur noch für Menschen mit einer bestimmten Genkonstellation, bei denen das Mittel besonders gut wirkt.

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