Längengrade auf der visuellen Karte - wie Zellen ihre Position in der Netzhaut finden

15.10.2009 - Deutschland

Dresdner Entwicklungsgenetiker konnten in einer neuen Studie über die Entwicklung des Auges erstmals zeigen wie die zelluläre Ordnung in der Netzhaut entsteht, die bestimmt wie visuelle Eindrücke im Gehirn wiedergegeben werden. Dazu wurden mit Hilfe hochauflösender mikroskopischer Beobachtungsmethoden am lebenden Zebrafischembryo einzelne Zellen bis zum Anfang der Augenbildung verfolgt.

Die Welt wie wir sie wahrnehmen basiert auf der kameraartigen Abbildung von Sehreizen auf der lichtempfindlichen Nervenzellschicht des Auges - der Netzhaut. Von der Netzhaut wird die Sehinformation über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. Die Verschaltung der Netzhautzellen erfolgt dabei so, dass auf dem Gehirn eine Punkt für Punkt genaue Karte des Gesehenen entsteht. Nur dadurch kann rechts, links, oben und unten in gesehenen Objekten korrekt lokalisiert werden. Diese visuelle Karte braucht ein Koordinatensystem, da die Zellen der Netzhaut als Voraussetzung für eine korrekte Verschaltung auf das Gehirn ihre exakte Position im Auge kennen müssen. Wissenschaftler am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC) haben nun aufgeklärt wie und wann das zelluläre Koordinatensystem in der Netzhaut während der Embryonalentwicklung entsteht. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der Fachzeitschrift PLoS Biology.

Das überraschende Ergebnis ist, dass die Zellkoordinaten in der Netzhaut bereits festgelegt werden, wenn das Auge gerade beginnt sich zu entwickeln, lange bevor die ersten Nervenzellen in das Gehirn einwachsen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Netzhaut noch ein sehr einfach aufgebautes, kleines Gewebe-Bläschen am vorderen Ende des sich bildenden Gehirns. Dieses Augenbläschen muss allerdings noch stark wachsen und verformen um die Gestalt eines fertigen Auges anzunehmen. Erst dann verschalten sich die Netzhautzellen auf das Gehirn. "Wahrscheinlich dient das Koordinatensystem der generellen Organisation von Form und Struktur im Auge. Das Leiten von Nervenzellen ist dann nur eine Ausprägung dieses Prinzips.", sagt Dr. Alexander Picker, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe von Prof. Michael Brand am CRTD.

Um zu verstehen wie das zelluläre Koordinatensystem durch Wachstum und Formveränderung erhalten bleiben kann, haben die Wissenschaftler Zellen im lebenden Zebrafischembryo mit einem fluoreszierenden Protein markiert und dann mittels hochauflösender Echtzeit-Mikroskopie durch die Entwicklung verfolgt. So konnten sie zeigen, dass drei verwandte Zellsignale, aus den benachbarten Geweben des sich entwickelnden Gehirns und der Nase, die Zellpositionen im Augenbläschen kontrollieren und damit den Ursprung des Koordinatensystems in der Netzhaut markieren.

Die schnelle Entwicklung des Zebrafischembryos und seine komplette Durchsichtigkeit machen ihn zu einem idealen Modell für derartige mikroskopische Lebendanalysen. "Nur durch diese Vorteile konnten wir ein neues Grundprinzip der Augen- und Netzhautentwicklung entdecken.", sagt Dr. Alexander Picker. Aufbauend auf diesen Ergebnissen untersuchen die CRTD Wissenschaftler jetzt inwieweit dieses Grundprinzip auch spätere Aspekte der Zell- und Gewebeentwicklung im Auge beeinflusst, zum Beispiel bei der Bildung von Nervenzellen und Blutgefäßen. Dieser Ansatz könnte in Zukunft entscheidende Erkenntnisse über den Verlauf und die Ursachen menschlicher Augenerkrankungen liefern.

Originalveröffentlichung: Alexander Picker et al.; "Dynamic Coupling of Pattern Formation and Morphogenesis in the Developing Vertebrate Retina"; PLoS Biology. 13. Oktober 2009

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