Biotechnologie: Politische Bremsklötze entfernen und an naturwissenschaftlichen Fakten orientieren

Geschäftsbelebung in den nächsten sechs Monaten erwartet

06.10.2009 - Deutschland

Der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), Dr. Stefan Marcinowski, hat die kommende Bundesregierung aufgefordert, bei der grünen Gentechnik einen raschen Politik­wechsel in Berlin und Brüssel einzuleiten: „Weder wissenschaftliche Belege über den Nutzen und die Sicherheit von gentechnisch optimierten Pflanzen, noch die Empfehlungen der zuständigen Behörden zur Zulassung von Produkten nach bestandener Prüfung werden zurzeit von der Politik als Grundlage für ihr Handeln herangezogen“, kritisierte Marcinowski vor Journalisten in Frankfurt. Die Entscheidungen müssten sich künftig wieder an naturwissen­schaftlichen Kriterien orientieren. Deutschland blockiert zusammen mit anderen Mitgliedstaaten auf EU-Ebene seit mehreren Jahren die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen.

Der DIB-Vorsitzende sieht dagegen große Chancen in der Pflanzenbiotechnologie: „Ich bin überzeugt davon, dass ein Teil der Zukunft unserer Branche und auch der Chemie in der Pflanze liegt - unabhängig davon, ob es dabei um Rohstoffe, Arznei-, Nahrungs- oder Futtermittel geht.“ So könne die Vision, Biomasse in Deutschland als Quelle für Energie und industriell verwertbare Rohstoffe in größerem Maßstab zu erschließen, nicht auf gentechnische Methoden verzichten. „Ohne den Anbau von Pflanzen mit maßgeschneiderten Eigenschaften werden wir diesem Ziel keinen Schritt näher kommen“, betonte Marcinowski. Außerdem müsse für nachwachsende Rohstoffe und Bio-Energie anderes Pflanzengut als für Nahrungs- oder Futtermittel erschlossen werden, um den Konflikt „Teller oder Tank“ zu entschärfen.

Biotechnisch maßgeschneiderte Enzyme und optimierte Bakterien sind nach Einschätzung der DIB auch der Schlüssel zur Realisierung einer Bioraffinerie. An diesem Konzept arbeiten in Deutschland immer mehr Wissenschaftler und Unternehmen intensiv. Noch steht aber keine fertige Anlage, die aus Gras und Stroh oder anderen agrarischen Reststoffen gleichzeitig Grundchemikalien, Biowerkstoffe und Bio-Ethanol oder Biogas wirtschaftlich liefert. Bevor die chemische Industrie ihren Beitrag zur nachhaltigen Produktion als Kunde einer Bioraffinerie weiter ausbauen könne, müssten noch viele technische und logistische Probleme gelöst werden. Nur mit einer intensiven Forschungsförderung durch den Staat könne die Entwicklung, so Marcinowski, erfolgreich vorangetrieben werden.

Forschung steuerlich fördern, Steuerrecht wettbewerbsfähiger gestalten

Die DIB setzt sich für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ein, die zusätzlich zur bisherigen Projektförderung erfolgen soll. Marcinowski: „Wir halten es für dringend erforderlich, dass der Staat die Innovations­kraft aller forschenden Unternehmen in Deutschland mit einer steuerlichen Komponente stärkt. Mindestens 10 Prozent der gesamten F+E-Aufwendungen sollten von der Steuerschuld abgezogen werden können.“ Die rund 500 Kernunternehmen in Deutschland, die ganz oder überwiegend mit Verfahren der modernen Biotechnologie arbeiten, haben einen hohen Refinanzierungsbedarf für ihre Forschungs­aufwendungen: Sie erzielten 2008 einen Umsatz von knapp 2,2 Milliarden Euro. Davon investierten sie über 1 Milliarde Euro - und somit knapp die Hälfte ihres Umsatzes - in Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus fordert die DIB, dass die mit der Unternehmen­steuerreform 2008 eingeführte Zinsschranke wieder abgeschafft wird. Die Begründung: Die Zinsschranke erschwere die Finanzierung von Forschung und Investitionen, die über Kredite vorgenommen werden. „Gerade junge Unternehmen sind in der Krise davon massiv betroffen. Im Übrigen schreckt die gültige Gesetzgebung Firmengründer ab“, sagte der DIB-Vorsitzende.

DIB-Umfrage: Mitgliedsfirmen rechnen mit leichter Belebung des Geschäfts

Auch die deutsche Biotech-Branche konnte sich dem Sog der weltweiten Wirtschaftskrise nicht entziehen. Aber der hohe Anteil der wenig konjunktursensiblen Segmente Biopharmazeutika und Diagnostika federte den Rückgang in der industriellen Biotechnologie ab. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der DIB unter Mitgliedsunternehmen hervor. „Die Talsohle ist durchschritten“, erklärte Marcinowski. Die DIB erwartet bis zum Ende des Jahres einen leichten Zuwachs des Geschäfts für die Branche. Forschungsprojekte wurden und werden wie geplant durchgeführt. Die Unternehmen, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, bemühen sich, die Belegschaft zu halten. Eine Reihe von Unternehmen stellte sogar antizyklisch Personal ein. Die Firmen stoßen nicht auf Kreditschwierigkeiten; auch ihre Kunden im Inland berichten nicht von einer Kreditklemme.

Marcinowski: „Die deutsche Biotech-Branche hat sich durch die Beibehaltung ihrer Innovationsbasis eine gute Ausgangposition geschaffen, die sie bei Anziehen der Weltwirtschaft ausbauen kann. Dies gilt aber nur für Pharma und die industrielle Biotechnologie. Die Wertschöpfung aus der Pflanzenbiotechnologie wird weitgehend außerhalb von Deutschland und Europa erwirtschaftet.“

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