HIV-Schutz aus Pflanzen

25.09.2009 - Deutschland

Antikörper, die vor einer Infektion mit dem Aids-Erreger HIV schützen könnten, lassen sich auch in Pflanzen produzieren. In dem EU-Projekt »PharmaPlanta« erarbeiten Fraunhofer-Forscher wichtige Grundlagen für die Herstellung des Wirkstoffs in gentechnisch veränderten Tabakpflanzen und stellen Material für die klinische Prüfung des Antikörpers bereit.

Jedes Jahr infizieren sich etwa 2,7 Mio Menschen mit HIV. Schutz vor Ansteckung können Antikörper gegen den AIDS-Erreger bieten – etwa der Antikörper 2G12. Er bindet an ein Eiweiß (das Protein gp120) auf der Oberfläche des Virus und der AIDS-Erreger kann nicht mehr an die Immunzellen andocken.

Bislang werden Antikörper in Zellkulturen hergestellt. Doch das ist aufwändig und teuer. Eine Alternative ist das »Molecular Farming«: In Pflanzen lassen sich Wirkstoffe deutlich kostengünstiger als in tierischen Zellen produzieren. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Aachen nutzen gentechnisch veränderte Tabakpflanzen, um den Antikörper 2G12 wirtschaftlich und sicher zu produzieren. In dem EU-Projekt »PharmaPlanta« legen sie dafür wichtige Grundlagen. An dem von der Europäischen Union geförderten Forschungsvorhaben arbeiten 39 Partner aus Wissenschaft und Industrie mit.

Damit sich die Antikörper demnächst aus Pflanzen ernten lassen, haben die Wissenschaftler das Gen für den Wirkstoff in das Erbgut einer Tabakpflanze (Nicotiana tabacum cv Petite Havana SR-1) eingeschleust. »Die gentechnisch veränderte Pflanze produziert beim Wachsen dann das neue Protein mit«, erläutert Dr. Stephan Hellwig, Leiter der Herstellung am IME.

Doch wie können die Antikörper aus den Tabakpflanzen gewonnen werden? Um den Wirkstoff auch aus mehreren hundert Kilogramm Pflanzenmaterial zu isolieren, haben die Forscher einen Prozess zur Aufbereitung der Tabakpflanzen entwickelt. Die geernteten Tabakblätter werden zunächst gewaschen und zerkleinert. Danach extrahieren die Wissenschaftler die Inhaltsstoffe und reinigen sie durch eine Serie von Filtrations- und Chromatographieschritten. Im Vorjahr haben die Wissenschaftler das Verfahren erstmals im Pilotmaßstab getestet und in vier Durchgängen, den »Engineering-batches«, insgesamt 800 Kilogramm Pflanzenmaterial aus dem institutseigenen Gewächshaus verarbeitet. »In den Testläufen haben wir die notwendigen logistischen und prozesstechnischen Daten gesammelt, um eine Pilotanlage zu entwickeln, die die hohen Anforderungen für die Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen erfüllt«, führt Dr. Jürgen Drossard aus, Leiter der Qualitätssicherung am IME. »Der gereinigte Wirkstoff wurde Ende 2008 in präklinischen Sicherheitsstudien getestet, ohne dass negative Effekte auftraten.«

Gemeinsam mit Sartorius haben die Wissenschaftler in diesem Jahr eine GMP-fähige teilweise automatisierte Pilotanlage gebaut und am IME in Betrieb genommen. In der Anlage lassen sich pro Woche bis zu 1.000 Kilogramm Pflanzenmaterial verarbeiten – mehr gentechnisch veränderten Tabak können die Wissenschaftler nicht in den Gewächshäusern des IME anbauen. Die Pilotanlage hat einen besonderen Vorteil: Die Teile, die mit dem Produkt in Kontakt kommen, sind weitgehend »single-use«-Komponenten. Diese Einmal-Bauteile lassen sich leicht austauschen. So kann die Anlage ohne die Gefahr von Kreuzkontaminationen auch für die Gewinnung anderer Biopharmazeutika aus Pflanzen genutzt werden.

Im August 2009 haben die Wissenschaftler erfolgreich den ersten Testlauf der Pilotanlage gefahren und die Qualifizierung der Anlage durchgeführt. »Da es keine etablierten vergleichbaren Prozesse gibt, müssen wir uns mit den zuständigen Behörden abstimmen, um letztendlich eine Herstellerlaubnis für ein plant-made-pharmaceutical zur Anwendung am Menschen zu erhalten«, erläutert Drossard das Vorgehen. Sobald die Herstellungserlaubnis erteilt ist, wollen die Wissenschaftler die ersten Antikörper unter GMP-Bedingungen produzieren. Diese Wirkstoffe sollen dann in einer klinischen Studie »Phase I« bei einem der Partner in dem EU-Projekt eingesetzt werden.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen Wissenschaftler des IME auf der Biotechnica in Hannover vor.

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