Neue Einblicke in die frühe Embryonalentwicklung mit neuer effizienter Zellsortierungstechnik
Weiter konnten die Forscher zeigen, dass kleine RNA-Moleküle, die für die Genregulation wichtig sind, schon in einem sehr frühen Entwicklungstadium von C. elegans in einem hochkomplexen Prozess genau aufeinander abgestimmt aktiviert werden. C. elegans ist einer der wichtigsten Modellorganismen in der Biologie. Viele Gene, die den Verlauf der Embryonalentwicklung von Tieren bestimmen, wurden erstmalig in C. elegans untersucht/identifiziert. Allerdings konnten Zellen in synchronen Entwicklungsstadien bisher nicht in großen Mengen gesammelt werden. Doch das ist die Grundvoraussetzung für systembiologische Ansätze, in denen beispielsweise die Expression von (annähernd) allen Genen in den Zellen und das Zusammenwirken ihrer Produkte experimentell und theoretisch analysiert werden.
"Bisher mussten die Embryonen in zeitraubender Handarbeit gesammelt werden", erläutert Marlon Stoeckius von der MDC-Forschungsgruppe von Nikolaus Rajewsky. "..und wir hatten immer zu wenig exakt gleiche Entwicklungsstadien, um sie mit Hilfe moderner Hochdurchsatzmethoden zu vergleichen." Dazu seien mehrere zehntausende Embryonen in synchronen Entwicklungsstufen nötig, erklärt der Biomediziner.
Nikolaus Rajewsky und seinen Mitarbeitern ist es zusammen mit Fabio Piano in New York gelungen, eine Methode zu entwickeln, mit der sie innerhalb weniger Stunden zehntausende von C. elegans Embryonen exakt nach Entwicklungsstufen automatisch sortieren und sammeln können. Dafür nutzen die Forscher das grün fluoreszierende Protein (GFP), mit dem sie die Zellen in einem spezifischen Stadium markieren. Wenn der Embryo das Entwicklungsstadium erreicht hat, leuchtet er und kann genau dann augewählt werden. Auf diese Weise konnten die Forscher zum Beispiel mehrere zehntausend Embryonen im Ein-Zell-Stadium mit einem Zellsortierer, in der Fachsprache FACS (Fluorescent Activated Cell Sorting) genannt, isolieren. Sie haben die Methode eFACS genannt, wobei "e" für Embryo steht.
Die Forscher verknüpften eFACS mit hochmodernen Sequenziertechnologien, um kleine RNA-Moleküle in den verschiedenen Entwicklungsstadien der Embryonen zu erforschen. Damit konnten sie erkennen, welche kleinen RNA Gene in den ersten Zellteilungszyklen von C. elegans an- bzw. abgeschaltet werden. Sie entdeckten, dass diese Veränderungen während der Embryonalentwicklung hochkomplex und aufeinanderabgestimmt sind und sich bei fast allen kleinen RNA-Molekülen, einschließlich der microRNAs beobachten lassen. Sie konnten zeigen, dass bereits in einem Embryo im Ein-Zell-Stadium eine große Zahl kleiner RNA-Moleküle einschließlich microRNAs aktiv sind. Kleine RNAs sind wichtige Genregulatoren, die erst im letzten Jahrzehnt intensiv beforscht wurden und die in vielen molekularen Prozessen beteiligt sind, in der Embryonalentwicklung ebenso wie bei verschiedenen Krankheiten.
Marlon Stoeckius ist der erste Doktorand des kürzlich zwischen dem Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) des MDC und dem Center for Comparative Functional Genomics der NYU eingerichteten Doktorandenprogramms. Nikolaus Rajewsky war, bevor er an das MDC kam und das BIMSB konzipierte und seitdem leitet, viele Jahre an der NYU als Professor tätig. Leiter des Partnerinstituts in New York ist Fabio Piano. Jeder Doktorand dieses Programms wird von einem Forscher in Berlin und in New York gemeinsam betreut, wobei die Doktoranden abwechselnd in Berlin und New York arbeiten. Marlon Stoeckius hat für die jetzt publizierten Experimente und Ergebnisse einige Zeit in New York gearbeitet.
Das BIMBS wird von der Initiative "Innovation und Spitzenforschung in den neuen Ländern" des Bundesforschungsministeriums (BMBF) gefördert. Es hat 2008 vom BMBF eine Anschubfinanzierung von 7,5 Millionen Euro sowie vom Berliner Senat von 4,4 Millionen Euro erhalten.
Originalveröffentlchung: Marlon Stoeckius et al.; "Large scale sorting of C. elegans embryos reveals the dynamics of small RNA expression"; Nature Method, Published online: 6 September 2009